Hingabe
Hingabe ist kein Spiel. Es ist ein Risiko. Es kann
Scheitern beinhalten. Auf dem langen Weg der Nachfolge erleben wir beides: Begeisterung und Aufbruchstimmung, Abbrüche und Vergeblichkeit. Und doch:
die eine Perle!
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Editorial
Liebe Freunde,
gerade rechtzeitig vor dem Jahresfest der OJC an Himmelfahrt kommt dieses Heft in eure Hände. Wir hoffen, dass sich jetzt noch Unentschlossene, Vergessliche, Spontane auf den Weg machen und die Halle voll wird! Damit das Motto überBrücken uns alle neu inspiriert.
Mit Haut und Haar, auf´s Ganze gehen, sich reinbuttern, keine Kosten scheuen – solche Lebensentwürfe erschienen mir schon in jungen Jahren unglaublich attraktiv. Hingabe! Das wollte ich auch. Dahinter steckte die Sehnsucht nach Sinn und Berufung – bis heute. Mit den Jahren lernte ich, dass Hingabe keine Heldin aus mir macht, sondern mit der realistischen Einschätzung meiner Selbst zu tun hat, mit meinen Stärken und meinen Schwächen. Hingabe ist…brutto. Du sollst dich nicht vorenthalten. (Martin Buber)
Was kommt zum Klingen beim Begriff Hingabe? Für die Einen dies: Opferhaltung, Selbstaufgabe, Hergebenmüssen und Freudlosigkeit.
Und für die Anderen: Die eine Perle im Acker, die es wert ist, Selbst-Vergessenheit, im „Flow“ sein, eine andere Gewichtung der Dinge, Fokus, Freiheit.
Wir beten jeden Tag im Mittagsgebet ein kleines Hingabegebet: „Wir gehören nicht der Arbeit, nicht den Menschen, und nicht uns selbst. Wir gehören dir.“ Und später im Vaterunser: „Dein Wille geschehe.“ Das ist in wenigen Sekunden gesagt – die Umsetzung üben wir ein ganzes Leben lang.
Hingabe ist kein verklärter, idealer Zustand. Es gibt nämlich auch das: Was voller Begeisterung beginnt, wird schal. Das beflügelnde Gefühl der Hingabe wird zur Last. Wenn es einen Lohn der Hingabe gibt, dann ist er unverfügbar. Viele geben das Leben und erhalten den Tod. Dieses Jahr denken wir an den 80. Jahrestag der Ermordung Dietrich Bonhoeffers. Hanna Hümmer sagt: „Wo Gott im Leben Wirklichkeit wird, wird er zur heiligen Last.“ Bonhoeffer wurde er zur heiligen Last. Ich weiß nicht, ob ich in seiner Situation je an diesen Punkt gekommen wäre, durch meine Hingabe diese heilige Last zu bejahen.
Im Austausch mit einer Gefährtin brachte sie dies mit ein: „Der Gedanke, dass ich meinen Platz einnehmen und mittun kann in Gottes Werk, hat mich begeistert. Genau das wollte ich und habe alles auf diese Karte gesetzt. Ich habe die Kosten nicht gescheut, denn es ist großartig, wenn man viel zu geben hat. Ich brach auf – und brach zusammen. Das war mit dem Gefühl verbunden, vom Platz geschickt, aussortiert zu werden. Konnte oder wollte Gott das, was ich zu geben hatte, nicht mehr gebrauchen? Dieser Gedanke hat mich tief gekränkt und in große innere Not gestürzt. Das hat meine Beziehung zu Gott grundlegend verändert. Heute denke ich, dass es damit zu tun hat, dass ich lernen musste, das Klein-sein und Kleines-tun anzunehmen.“ Also nicht mal in der Hingabe dem Superlativ nachstreben – wie ernüchternd – und irgendwann dann entlastend. Was bleibt, ist meine Sehnsucht nach dem Mittun in Gottes Welt – und die Frage: Was ist der innerste Kern einer Hingabe, die Gott annehmen und gebrauchen kann?
Hingabe ist kein Spiel. Es ist ein Risiko. Es kann
Scheitern beinhalten. Auf dem langen Weg der Nachfolge erleben wir beides: Begeisterung und Aufbruchstimmung, Abbrüche und Vergeblichkeit. Und doch:
die eine Perle!
Ich habe gegoogelt: Gegenteil von Hingabe. Das wäre: Gleichgültigkeit, Selbstsucht, Egoismus, Teilnahmslosigkeit, Hinterherlaufen. – Herr, wohin sonst sollten wir gehen? Ja, das ist die Frage meines Lebens. Und die Antwort: Zu dir, Herr, mit Haut und Haar.
Sehen wir uns an Himmelfahrt?
In großer Verbundenheit,
Gerlind Ammon-Schad