
Geborgen und selbstvergessen
Wenn ich an Hingabe denke, fällt mir ein Kind ein. Man sagt manchmal: Schau mal, wie hingegeben das Kind spielt. Oder: Schau mal, wie hingegeben das Kind malt. Damit meint man Zweierlei: Das Kind ist selbstvergessen und gleichzeitig ganz bei sich selbst, es ruht in sich selbst. Wir sagen: ganz bei sich selbst – aber dieses Selbst ist im Hintergrund immer ein Selbst-in-Beziehung. Es geht um Geborgenheit. Ein geborgenes Kind kann selbstvergessen spielen. Geborgenheit, eine tiefe Verankerung unseres Selbst in der Bindung an den Dreieinen Gott, ist für uns Christen Voraussetzung für Hingabe.
Wenn wir nur losrennen, weil wir einen großen wichtigen Auftrag sehen, an dem wir dringend mitwirken müssen, und das allein Hingabe nennen, können wir ausbrennen. Oft tun wir es aus Idealismus. Hingabe macht aber verletzlich, am Ende können wir uns ausgenutzt, ausgebeutet fühlen, und auch emotional oder geistlich missbraucht werden.
Im Rhythmus der Glückshormone
Alles Lebendige – leiblich-biologisch gesprochen – braucht einen gesunden Rhythmus von Dopamin und Serotonin. Beides sind Glückshormone, die im menschlichen Gehirn ausgeschüttet werden. Dopamin, wenn wir vor Freude losrennen. Serotonin, wenn wir zur Ruhe kommen und ganz bei uns selbst sind. Wenn wir in den Armen Gottes ausruhen, in Ihm geborgen sind, kommt unser Herz zum Schalom. Menschliches Selbst ist immer ein Selbst-in-Beziehung. Das Stillwerden vor Immanuel, dem „Gott mit uns“, ist notwendiger Teil unserer Identitätsentwicklung. Immer und immer wieder müssen wir uns dafür die Zeit nehmen. Ohne solches Stillwerden vor Ihm können wir nicht wissen, wer wie sind, und dann kann das mit der Hingabe schnell schieflaufen.
Jesus wusste, wer er war. Er hatte eine Identität. Er wusste, woher er kam und wohin er ging (Johannes 13). Sein Selbst war immer ein Selbst-in-Beziehung, tief verankert in der Zugehörigkeit zum Vater. So konnte er sich hingeben ohne auszubrennen und sogar sein Leben für uns lassen.
Zielpunkt Freude
Das bringt mich zum letzten Punkt: Der Mensch ist geschaffen, um Bindungen einzugehen, um seine Identität im Tandem mit einer größeren, weiseren Person zu entwickeln. In der Hirnforschung, aus der diese Aussage stammt, ist damit die besondere Beziehung zwischen einem kleinen Kind und seiner Mutter/seinem Vater gemeint. Wir können das auf uns als Christen übertragen. Unsere wahre Identität finden wir in der Bindung an den trinitarischen Gott. Urmodell aller Hingabe ist die beständige Selbsthingabe in der Liebesbeziehung der drei Personen der Trinität, Vater, Sohn und Heiliger Geist. In ihr wurzelt alles Lebendige, alle Kreativität und letztlich auch unsere Hingabe. In der Hingabe Jesu, in der Er sich verletzlich macht, sind wir geborgen, findet unser Herz Schalom – und dann können wir auch losrennen – eben: Glückshormone! Das Ziel ist immer die Freude.