Und Gott pflanzte einen Garten
- Der Garten als Ort der wachsenden Freude
- Mein Leben als Ort der wachsenden Freude
- Mein Leben als ein Garten der Reife und der Frucht
„Schreib mal was zum Garten … eine theologische Vertiefung … es geht ums Reifen und auch ums Ernten“, so hieß die Bitte der Redaktion zu einem Text für diese Ausgabe. Na prima – Garten – ausgerechnet ich, dem der sprichwörtliche grüne Daumen nie zugewachsen ist. Ich mag Gärten sehr – vor allem wenn sie voll und bunt und von der Sonne bestrahlt blühen. Ich denke an Schloss Villandry an der Loire – ein wirkliches Gartenwunder und jedem Liebhaber absolut zu empfehlen! Meine eigenen Ansprüche sind da bescheidener. Ich liebe einen Strauß frischer Blumen auf meinem Schreibtisch. Das war es dann aber auch schon. Was also fällt mir dazu ein? Als erstes: Die Menschheitsgeschichte begann in einem Garten. In Gen 2 heißt es: Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Morgen.
Gott ist der erste Gärtner. Und er schenkt dieses Paradies den Menschen. Sicherlich zur Freude, aber auch als Aufgabe: Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn baute und bewahrte. Aber warum ausgerechnet einen Garten?
Der Garten als Ort der wachsenden Freude
Wie gesagt: Gott pflanzte einen Garten. Der war nicht einfach da, der musste inmitten der Schöpfung erst noch angelegt werden. Ob ich mir nun den lieben Gott mit Gummistiefeln, Spaten und Gartenschlauch vorstellen muss, weiß ich nicht. Jedenfalls ist ein Garten offensichtlich keine Wildnis, sondern eine Kulturlandschaft. Die Wildnis hat auch etwas reizvoll Schönes auf ihre Weise, aber sie ist eben kein Garten. Was verbinde ich also mit einem Garten?
Zunächst einmal ist er ein Ort der Arbeit. Ich muss ihn bebauen mit allen Freuden und Mühen, die dazu gehören. Nur so strahlt er dann auch seine Schönheit aus. Seit der Mensch eigenverschuldet aus dem Paradies ausgewiesen worden ist, muss er sich dieser Aufgabe stellen. Das heißt aber auch, dass ein Garten ein Ort der Entfaltung ist. Hier kann ich weithin frei Möglichkeiten erwägen und sie gestalten. Ich kann die Pflanzen wählen, entscheiden ob es eher ein Blumengarten oder ein Gemüsegarten sein soll. Ich bin frei darin, Büsche oder Bäume, Rosen oder Sonnenblumen anzupflanzen.
Somit ist der Garten also auch ein Ort der Saat. Ich vertraue das Saatgut – das ja einer vergangenen Ernte abgerungen wurde – der Erde an. Ich säe aus … lasse los … ja, werfe weg – ganz so wie auf einem Sämann-Gemälde von Vincent van Gogh. Ich gebe meine Saat frei. Und dadurch wird der Garten zu einem Ort des Vertrauens. Was weiß ich, was aus der Saat wird. Eine Ernte ist alles andere als garantiert. Es gibt so viele Unberechenbarkeiten wie das Wetter, so viele verschiedene Einflüsse wie die Bodenbeschaffenheit, und so viele Risiken wie Schädlinge. Ich kann nur darauf vertrauen, dass aus meiner Saat auch eine Ernte wird. Und dass dies geschieht, geht nicht über Nacht. Darum ist ein Garten auch ein Ort der Geduld. Da ist nichts zu machen mit einer Amazon-Mentalität: heute bestellt, morgen geliefert. Was ich heute gesät habe, ist morgen noch lange nicht reif. Es dauert … und dauert … muss wachsen und reifen. Wer mit Kindern schon einmal etwas gesät und dann darauf gewartet hat, dass da was aufgeht, blüht, Frucht trägt – der weiß, was Geduld meint.
Und damit diese sich auch lohnt, ist der Garten ganz gewiss auch ein Ort der Pflege. Man kann die Saat nicht einfach sich selbst überlassen. Da muss man gießen und Unkraut jäten und vieles mehr. Auch wenn man Blüte und Frucht nicht erzeugen kann, muss man doch seine in die Erde gesteckte Hoffnung mit Aufmerksamkeit und Fürsorge begleiten. Und wenn man das tut, dann wird man sehen: der Garten ist auch ein Ort der Verwandlung. Nicht nur, dass man über Wochen das Wachsen und Blühen der Saat verfolgen kann. Das vor allem. Und das ist faszinierend. Aber ich denke auch an den Wandel der Jahreszeiten – wie zu verschiedenen Zeiten auch Verschiedenes aufblüht und sich so derselbe Garten immer wieder ändert. Ich liebe diese Verwandlungen über alles. Auch deshalb stand in jedem meiner Arbeitszimmer mein Schreibtisch stets so, dass ich durchs Fenster in die Schöpfung sehen konnte. Damit wird der Garten auch zu einem Ort der Freude. Zu sehen was hier alles wächst und grünt … die Vielfalt, die Farben, der Wechsel der Jahreszeiten. Zu staunen über die Formen und Gerüche. Zu kosten die herben und süßen Gaumenfreuden … und vieles mehr.
Welch eine Freude, vor dem Reichtum der Schöpfung zu stehen. Und über dem allem, über aller Arbeit und aller Geduld und aller Pflege – ist der Garten schließlich ein Ort der Ernte. Ob das nun knackige Radieschen oder ein Strauß Rosen sind, sei dahingestellt. Aber alles, was diesen Ort ausmacht, vereinigt sich in der Ernte. Darauf zielt alles ab. Die Saat ist aufgegangen und Auge und Gaumen freuen sich daran. Und so führt dieses Genießen schließlich zum Garten als dem Ort des Feierns. Wie sehr ich es liebe, an den noch warmen Sommerabenden draußen vor dem Haus zu sitzen bei einem guten Schluck Wein oder einem kühlen Radler. Mit freundlichen Menschen dem Sonnenuntergang entgegen zu ruhen. Über viele Jahre haben wir auf dem Schloss die letzte Sonntagsbegrüßung einer jeden Jahresmannschaft auf dem Südhang vor dem Schloss gefeiert – eben im Garten. Welch königliches Gefühl!
Mein Leben als Ort der wachsenden Freude
Von der Arbeit bin ich nun zum Feiern gekommen. Und als eigentlich doch ahnungsloser Gartenfreund habe ich mich in vielen Worten durch dieses Revier gewagt. Ob damit der Wunsch der Redaktion, etwas zum Garten zu schreiben, schon erfüllt ist? Es ging ja auch um eine theologische Vertiefung, ums Reifen und ums Ernten. Nun denn …
Doch statt weiterer Worte will ich Sie, verehrte Leserin und Leser, einladen. Lesen Sie bitte den letzten Abschnitt nochmals. Am besten langsam – gerne laut. Machen Sie daraus eine Meditation und setzten Sie jeweils statt „Garten“ doch „mein Leben“ ein. Also: mein Leben als Ort der Arbeit … Entfaltung … usw. Nicht, weil ich zu faul bin, mehr zu schreiben. Und auch nicht, weil mir die Redaktion so wenig Platz zur Entfaltung gelassen hätte. Allein aus dem Grund, dass der Garten ein dermaßen sinnfälliges Bild des eigenen Lebens ist. Auch in meinem Leben gibt es ja schon was – der Boden ist bereitet. Auch da wird gepflanzt, bebaut, gejätet. Und auch da will es zur festlichen Freude der Ernte kommen. Aber bitte: lesen Sie selbst! Lesen Sie noch einmal …
Mein Leben als ein Garten der Reife und der Frucht
„Alles, was diesen Ort ausmacht, vereinigt sich in der Ernte. Darauf zielt alles ab.“ So habe ich es oben beschrieben. Dabei ist das mit der geernteten Frucht – zumindest in meinem Leben – ja gar nicht so einfach. Wo und wie geht denn die Saat meines Lebens auf? Je älter ich werde, desto mehr wird mir bewusst, dass ich vor allem in die nächste Generation gesät habe. Ich denke an unsere Kinder und Enkelkinder. Aber auch darüber hinaus. Ich spüre zunehmend: Möglicherweise wird meine Saat erst eine spätere Generation ernten. Vor einigen Jahren habe ich in einem anderen Salzkorn-Artikel geschrieben: „David muss erfahren: Das Leben vollendet sich nicht mit meinen Taten und Werken, sondern mit meiner Saat! Mein Alterswerk, dass mein Leben abrunden und erfüllen soll, besteht nicht in meinen hinterlassenen Leistungen, sondern in dem, auf das andere auf- und weiterbauen können – in meiner ausgestreuten Saat, die der nächsten Generation ihre Frucht bringen soll! Welch weise Einsicht!“1 Jetzt, gegen Ende meines beruflichen Lebens und im langsamen Näherkommen meines letzten Lebensabschnittes, beschäftigt mich das sehr. Gibt es auch in meinem Leben eine Frucht, die wieder zur Saat einer nächsten Generation werden kann?
Bei alledem kommt mir noch etwas in den Sinn. Auch Jesus hatte so etwas wie seinen Garten. Nicht seinen eigenen, aber seinen Lieblingsgarten. Den Garten Gethsemane. Da heißt es in Johannes 18,1f: Da Jesus solches geredet hatte, ging er hinaus mit seinen Jüngern über den Bach Kidron; da war ein Garten, darein gingen Jesus und seine Jünger. Judas aber, der ihn verriet, wusste den Ort auch; denn Jesus versammelte sich oft daselbst mit seinen Jüngern. Für Jesus war dies ein Ort des Rückzugs, der Gemeinschaft und des Gebets. Und ein Kapitel später lese ich sogar von einem weiteren Garten: Es war aber an der Stätte, da er gekreuzigt ward, ein Garten, und im Garten ein neues Grab, in welches niemand je gelegt war (Joh 19,41). Dieses Stück Land war für Jesus der Ort seiner Lebensvollendung. In seinem Sterben und Auferstehen – beides nicht nur mit Kreuz und Grab, sondern auch mit einem Garten verbunden – findet sich die Ernte seines Lebens. Und was schon für Israel galt, galt auch für ihn. Und gilt auch für mich: Der HERR wird dich immerdar führen und deine Seele sättigen in der Dürre und deine Gebeine stärken; und du wirst sein wie ein gewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, welcher es nimmer an Wasser fehlt (Jesaja 58,11).
Zum Schluss: Ich erinnere mich nicht, jemals einen Text zu einem Thema geschrieben zu haben, von dem ich so wenig Ahnung hatte. Aber vielleicht ist auch das, wie mit meinem Leben: Ein Wandeln im Ungekannten. Ich muss mich darauf einlassen … sehen was da wächst … und kann am Ende sogar staunend überrascht auf eine Ernte sehen, die wieder zu neuer Saat wird.
in: Salzkorn 2021/1: „Die Baustelle freigeben – Generationenwechsel von David zu Salomo“; siehe www.ojc-salzkorn.de/artikel/die-baustelle-freigeben ↑