Illustration einer Bananenpflanze

Warten & staunen

Wie mein Glaube keimen durfte

Damit aus einem Samenkorn eine Pflanze werden kann, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein: Das Samenkorn braucht ein feinkrümeliges und abgesetztes Saatbett, am besten ohne Beikräuter, damit es Anschluss an Wasser hat und die Konkurrenz zu Beginn möglichst gering ist. Es sollte auf die passende Tiefe abgelegt werden. Das ist bei großen Samen wie Gartenbohne, Kichererbse oder Mais tiefer als bei einem kleinen Gras- oder Kleesamen. Und dann braucht es Wasser, Luft, Wärme, Licht, Nährstoffe… und Zeit.

Diese Zeit kann ich nicht verkürzen. Ich kann nur, soweit es in meiner Macht steht, dafür sorgen, dass das Samenkorn optimale Bedingungen zum Keimen, Wachsen und Reifen hat. Ich kann durch den Saatzeitpunkt in einem gewissen Maß beeinflussen, ob genug Wasser für die Keimung zur Verfügung steht und es für die Pflanze warm genug ist. Ich kann mit dem Boden sorgsam umgehen und dafür sorgen, dass die Pflanze genug Nährstoffe und Wasser hat. Ansonsten heißt es Geduld haben und beobachten. Aushalten, dass ich vom Wetter abhängig bin und es nicht beeinflussen kann. Über unseren Schöpfer staunen. Und sich manchmal überraschen lassen, wie schnell es geht. Im April dieses Jahres konnte ich jeden Tag beobachten, wie das Welsche Weidelgras ein Stück höher gewachsen war, obwohl es kaum geregnet hatte. Wir konnten Ende des Monats mähen.

Dass es nicht immer so läuft, wie wir Menschen uns das wünschen, erlebte ich vor zwei Jahren bei den Kichererbsen. Sie waren gesät und begannen zu wachsen. Aber dann kamen Hasen und fraßen sie teilweise ab. Und dann regnete es im Sommer für die Kichererbsen zu viel, sodass sie nicht abreifen konnten. Sie haben die Angewohnheit, so lange weiter zu wachsen, bis es eine längere Trockenzeit gibt. Also gab es keine Ernte. Im Fall der Kichererbsen war das zwar ärgerlich, weil sie ein Versuch für meine Abschlussarbeit waren, aber unerwartete Ergebnisse sind auch Ergebnisse, die man für die Wissenschaft nutzen kann. Sind von einer zufriedenstellenden Ernte die Einkünfte eines landwirtschaftlichen Betriebes abhängig, kann eine Missernte deutlich dramatischere Folgen haben. Das lässt mich demütig werden.

Vom Halm zu mir

Was beobachte ich bei uns Menschen? Was benötige ich zum Wachsen? Auch ich brauche ein Umfeld, in dem ich mich wohlfühle, gute Startvoraussetzungen und ein gewisses Grundwissen, auf das ich aufbauen kann. Und dann sind es die Herausforderungen, an denen ich wachse. Vor ein paar Jahren war es das Ausziehen von zu Hause nach der Schule und das Mich-zurecht-Finden im FSJ, an der Uni und im WG-Haushalt. Nun ist es der Einstieg ins Berufsleben. Es hilft mir, Menschen zu haben, die mich begleiten, mit denen ich mich über das Erlebte austauschen kann und die mich Stück für Stück an meine Aufgaben heranführen. Ich kann etwas dazu beitragen, indem ich mich z. B. fachlich in ein Thema einarbeite oder mir eine WG mit Menschen suche, von denen ich denke, dass unser Zusammenwohnen gelingt, aber letztlich habe ich es nicht in der Hand. Da bin ich Empfangende und auf Gottes Gnade angewiesen.

Bei meinem Glauben ist es ähnlich. Der Samen wurde in meiner Kindheit gelegt. Ich wuchs in einer christlichen Familie auf, in der der Glaube ganz alltäglich gelebt wurde. Er wuchs, als ich mich als Jugendliche und junge Erwachsene selbst intensiver damit beschäftigte, in der Bibel zu lesen begann, mich mit anderen jungen und älteren Leuten über das Gelesene austauschte, hinterfragt wurde, mir bewusst eine Gemeinde suchte, Predigten hörte. Seit einigen Jahren arbeite ich bei einer Pfingstfreizeit für Jugendliche mit. Ich kann zum Teil beeinflussen, was ich Herz und Hirn als Nährstoff gebe und mit Jesus im Gespräch bleiben, aber das Wachsen kommt von Gott.
Bei der Pfingstfreizeit darf ich nun selber junge Mitarbeitende begleiten. Auch für sie kann ich dazu beitragen, ein Umfeld zu schaffen, in dem sie als Team zusammenwachsen, ihre Gaben entdecken und einsetzen können, sie herausfordern und sie zu verschiedenen Themen schulen. Es freut mich und erfüllt mich mit Dankbarkeit, wie sich junge Mitarbeitende weiterentwickeln und mit wie viel Herzblut sie sich für die Freizeit einsetzen und so an Gottes Reich bauen. Doch auch hier ist es so, dass ich vieles bedenken und vorbereiten kann, aber das Wachsen an sich und dass z. B. eine Freizeit gelingt, kann ich nicht machen. Da bin ich als Empfangende auf Gottes Hilfe und andere Menschen angewiesen.
Wachstum ist für mich ein Geheimnis, das ich nur beobachten und empfangen kann. Es ist bei den Menschen, im Glauben und bei den Pflanzen so wie es in 1 Korinther 3,7 steht:

Es ist nicht so wichtig, wer pflanzt und wer begießt; wichtig ist allein Gott, der euern Glauben wachsen lässt.