Trag deine Schürze mit Fassung
- Ich kenne meine Angst…
- Wie geht Jesus mit diesen Ängsten und Wünschen seiner Jünger um?
- Gott kennt mich…
- Er kennt meinen Namen…
- Was ist mein Dienst?
- Nimm deinen Platz ein. Denn wir, die anderen, brauchen dich!
Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, traten zu Jesus und sagten zu ihm: „Lehrer, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst.“ Jesus fragte sie: „Was möchtet ihr denn? Was soll ich für euch tun?“ Sie antworteten: „Lass uns neben dir sitzen, wenn du in deiner Herrlichkeit regieren wirst – einen rechts von dir, den anderen links.“ Aber Jesus sagte zu ihnen: „Ihr wisst nicht, um was ihr da bittet! Könnt ihr den Becher austrinken, den ich austrinke? Oder könnt ihr die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?“
Sie erwiderten: „Das können wir!“ Da sagte Jesus zu ihnen: „Ihr werdet tatsächlich den Becher austrinken, den ich austrinke. Und ihr werdet die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde. Aber ich habe nicht zu entscheiden, wer rechts und links von mir sitzt. Dort werden die sitzen, die Gott dafür bestimmt hat.
Markus 10,35-45 (Basisbibel)
Ist das nicht ein bisschen frech von Jakobus und Johannes? Sie scheinen ja sehr selbstsicher zu sein und haben eine klare Vorstellung von ihrem Platz bei Jesus. Sie wollen in der Herrlichkeit rechts und links von ihm sitzen. Ehrenplätze haben.
Und ohne groß auf den sich anbahnenden Ärger mit den anderen Jüngern einzugehen oder zu klären, ob sie denn auch dafür qualifiziert sind, hat Jesus schlussendlich nur eine klare Botschaft für sie: „Das entscheide nicht ich. Dort werden die sitzen, die Gott dafür bestimmt hat.“
Wie reagierst du auf diese Szene und das Verhalten von Jakobus und Johannes? Hältst du das für einen Affront? Puren Egoismus? Oder ist es eigentlich ganz menschlich? Wenn man schon weiß, was man gerne hätte, kann man doch darum bitten.
Ich kenne meine Angst…
Wir springen unterschiedlich auf solche Erzählungen an, weil wir ganz verschieden sind. Ich kenne meine eigene Angst und Sorge, zu kurz zu kommen im Leben. Ich möchte auch einen guten Platz für mich haben. Für mich und meine Familie. Doch ob ich so dreist wäre, das so auszusprechen und darum zu bitten?
Wie steht es um dein Sorgen und Bangen? Fühlst du dich genug gesehen und beachtet und wertgeschätzt? Vielleicht wäre dir ein ruhiger Schlafplatz viel wichtiger als ein Sitzplatz?
Wie geht Jesus mit diesen Ängsten und Wünschen seiner Jünger um?
Jesus verurteilt die beiden Brüder wegen ihrer Frage nicht. Seine Antwort überrascht. Er versucht, ihnen aufzuzeigen, dass sie sich um so etwas gar keine Gedanken machen müssen. Er sagt, dass das nicht er entscheiden würde. Es sei schon von Gott bestimmt. Da frage ich mich natürlich, was Gott denn sonst noch so über mein Leben bestimmt hat?!
Das Wort Bestimmung klingt so hart, so regulierend, so unausweichlich. Als ob ich eh keine Wahl habe. Ich bin halt wieder der Dumme. Muss nehmen, was kommt.
Gott kennt mich…
Aber man kann es auch ganz anders hören: Das soll nicht deine Sorge sein. Mach dir darüber keinen Kopf. Hier sorgt ein anderer. Und wenn Gott dich liebt, was bekümmert dich dann?
Ich, Gerd, bin ein Mann – keine Frau. Eher großgewachsen, ich hatte mal blonde Haare – früher mehr, heute wenig. Rechtshänder bin ich. Klug bin ich schon, aber als sehr schlau würde ich mich selbst nicht bezeichnen. Schnell, ja. Aber manche sind schneller. Und viele viel langsamer. Ich bin in Süddeutschland geboren und aufgewachsen. Das bin ich und noch viel mehr – und das habe ich mir alles nicht ausgesucht. Ob es mir gefällt? Mal mehr und mal weniger.
Es gibt Dinge an mir, die ich mag und andere, die ich ungern an mir wahrnehme. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Ich bin bei weitem nicht perfekt. Ich kann manchmal Großartiges vollbringen, um im nächsten Augenblick kläglich zu versagen. Ich bin standfest, stark und souverän und gleichzeitig labil, schwach und hilfsbedürftig.
Die Frage nach der Gottesebenbildlichkeit hat viel mit dem Thema Demut zu tun. Denn Demut beginnt im Erkennen und Akzeptieren meiner ganz eigenen Identität. Meiner eigenen Wirklichkeit. Im Erkennen, wer ich bin und wer ich nicht bin. Im Erkennen meiner Licht- und Schattenseiten. Im Erkennen dessen, was Gott mir alles an Gaben und Fähigkeiten in die Wiege gelegt hat, welche Talente er mir anvertraut hat, was für Möglichkeiten ich habe und im Erkennen, das ich nicht alle Gaben dieser Welt besitze und eben auch Hilfe benötige.
Demut beginnt dort, wo ich Ja sage zu mir, so wie ich bin. Ja, das bin ich. So hat mich Gott in diese Welt gestellt. Die Frage, die sich anschließt, ist, wie dieses Jasagen gelingt? Ich weiß nur zu gut, wie schwer es sein kann, ein Ja zu sich und seinem Leben zu finden.
Bei C. S. Lewis habe ich folgenden Gedanken gefunden: Ein stolzer, also hochmütiger Mensch schaut auf die anderen herab. Damit kann er nicht sehen, was über ihm liegt und also auch nicht Gott erkennen. Hochmut kennt Gott nicht.
Und ich füge hinzu: Ein sich minderwertig fühlender Mensch macht sich klein und schaut zu den anderen auf. Er fühlt sich seinen Mitmenschen gegenüber benachteiligt. Somit kann er Gott nicht sehen und kennen. Minderwertigkeit kennt Gott nicht.
Er kennt meinen Namen…
Demut gelingt uns dann, wenn wir uns Gott zuwenden. In Demut wissen wir um das Eigene und schauen auf Gott, unseren Schöpfer. Hier ist unser Gegenüber. Gott zu schauen und Gott zu kennen, das ist unsere Bestimmung. So kommen wir in Begegnung mit ihm! Demut ist der Schlüssel für echte Gotteserfahrung.
C.S. Lewis sagt auch: „Demut bedeutet nicht, weniger von sich selbst zu denken, sondern weniger an sich selbst zu denken.“ Demut schaut weg von sich selbst und schaut auch nicht auf die anderen. Demut schaut auf Christus und auf sein Reich: Trachtet zuerst nach Gottes Reich, so wird euch alles zufallen! (Mt 6,33)
Im Schauen auf Gott und im Wissen um seine Liebe bekomme ich die innere Freiheit, auch mal nach links und rechts zu schauen. Wer sitzt da denn noch? Wer lebt noch so mit mir? So viele Menschen, alle so unterschiedlich. Aber auf Augenhöhe.
Ich kenne mich. Meine Licht- und meine Schattenseiten. Und ich sehe den anderen. Seine Licht- und Schattenseiten. Wir sind unterschiedlich und schauen doch gemeinsam auf Christus. Wir brauchen uns gegenseitig – und lernen voneinander.
Jesus fordert in unserem Text seine Jünger und damit auch uns auf: Wer von euch groß sein will, soll den anderen dienen. Dienen meint, für jemanden etwas Nützliches, etwas Gutes tun. Wer den anderen dient, der tut ihnen einen Dienst.
Was ist mein Dienst?
In der deutschen Sprache haben wir unzählige Dienste, z. B. den Freiwilligendienst. Aber auch den Eiswarndienst, Geheimdienst, Technikdienst, Moderationsdienst und den Predigtdienst. Nicht sehr populär ist meistens der Küchendienst. Der Küchendienst trägt oft eine Schürze. Menschen mit Predigtdienst einen Talar. Sicherheitsdienste eine Uniform, usw. Schürzen und Uniformen. Die Berufskleidung wird dann ein Symbol für das Dienen. Ich signalisiere meiner Umwelt meine Bereitschaft zum Dienen. Ich bin im Dienst.
- Welcher Dienst an den Menschen ist deiner?
- Welche Schürze, welche Uniform ist deine?
- Hast du sie schon gefunden?
Denn sie ist nicht beliebig. Sie hat immer etwas mit meiner Identität zu tun. Mit dem, was Gott in mich hineingelegt hat. Meinen passenden Dienst finde ich im Schauen auf Gott und im Empfangen von ihm her. Und jeder Dienst hat seinen Sinn und Wert. Keiner ist besser oder schlechter. Ich bin nicht besser oder schlechter.
Gott will, dass ich aufhöre, mich in „meiner Schürze“ besser zu fühlen. Dass ich aufhöre, mich in „meiner Schürze“ minderwertig zu fühlen. Dass ich aufhöre, mich zu vergleichen mit den anderen. Gott will, dass wir echt sind.
Gott will nicht, dass wir verkleidet sind, sondern will, dass ich die mir passende Schürze anziehe. Die findet er toll an mir und die wird mich auch für andere anziehend machen.
Nimm deinen Platz ein. Denn wir, die anderen, brauchen dich!
In die Ebenbildlichkeit Gottes einzutreten meint also, demütig JA zu sagen zu mir, mit allen Licht- und Schattenseiten. Gleichzeitig stehe ich aufrecht und würdevoll und schaue auf Gott, meinen Schöpfer, mein Ebenbild und sage JA zu Gott. Ja, ich bin bereit, DIR zu dienen. Und ich strecke meine Arme und Hände zur Seite, um meinen Nachbarn, meiner Schwester, meinem Bruder den Arm um die Schulter legen zu können und zu sagen: Ich bin für dich da.
Das ist das Kreuzzeichen und es erinnert uns an den Tod und die Auferstehung Christi. Denn Jesus ging uns selbst voran. Er hat uns Demut vorgelebt. Jesus wusste, wer er ist. Löwe und Lamm. Und was seine Bestimmung war. Er hat seine Schürze getragen und die hat er sich nicht ausgesucht. Er war unser erster Diener. Bis zum Kreuz, ja bis zum Tod.
Amen.