My point of no return

Wenn „change“ eine Haltung wird

Veränderung steht täglich für mich an. … lernt, in einer neuen Weise zu denken, damit ihr verändert werdet und beurteilen könnt, ob etwas Gottes Wille ist – ob es gut ist, ob Gott Freude daran hat und ob es vollkommen ist (Röm 12,2). Dieses Lernen geschieht für mich durch die Liturgie, das Hören der Predigt und durch die Bibellese, durch Anfragen meines Mannes an mein Verhalten, durch Rückmeldungen meiner Kinder und auch durch die Reibungspunkte in der Gemeinschaft. Es ist ein Üben, meine Vorstellungen über Situationen und Menschen loszulassen, um zu einem inneren Frieden zu kommen und daraus zu leben. Vor allem aber, um in der Liebe zu Gott und den Menschen zu wachsen. Ich lerne, dass dies ein tägliches Üben ist, in den Menschen, mit denen ich unterwegs bin, Jesus zu sehen. Es gibt keinen Endpunkt bzw. den wird es erst im Himmel geben.
Elke Pechmann, Jg. 1954

Als ich gleich wieder weg wollte

Mein erster Besuch in Taizé war für mich als Methodistin ein echtes Abenteuer. Das Gebet in der großen Kirche mit Weihrauch, Ikonen und Brüdern in weißen Gewändern wirkte so befremdlich auf mich, genauso wie die orthodoxen Türmchen in der Kirche. Mein erster Impuls war, wieder abzureisen. Doch aus einer Woche Taizé wurden eineinhalb Jahre, die ich in dieser Gemeinschaft mitlebte und arbeitete. Das Fremde wurde mir nicht nur vertraut, sondern ein Wegbegleiter durch die weiteren Jahre. Ich entdeckte den Reichtum der Ökumene und lernte viel Wertvolles aus der Fülle der unterschiedlichen Konfessionen. Ich hörte von Teresa von Avila, Thérèse von Lisieux, Johannes vom Kreuz und vielen anderen. Mein neugieriges und offenes Herz fasste den Entschluss, sich auf das Fremde einzulassen, und ich wurde reich beschenkt. Meine Berührungsängste wurden abgebaut. Die Veränderung von einem freikirchlich geprägten hin zu einem ökumenischen Herzen verdanke ich diesem Ort. Mein Herz war so bestens vorbereitet auf die ökumenische OJC-Gemeinschaft und ich fand hier schnell Heimat.
Marsha Nölling, Jg. 1971

Wenn mich die Angst nicht schlafen lässt

Ich lag abends im Bett und konnte nicht einschlafen. Gerade mal elf Jahre alt hatte ich panische Angst vor dem Tod. Ich war nicht krank, aber die Vorstellung, einmal nicht mehr zu sein, packte mich ganz tief im Herzen. Schweißgebadet betete ich in dieser Nacht mein erstes ernsthaftes Gebet. Danach konnte ich ruhig einschlafen.

Der Blick auf die eigene Endlichkeit lässt mich aber seitdem nicht mehr in Ruhe. Jetzt kann ich darüber locker schreiben, aber immer wieder gibt es Phasen, in denen es mir nicht nur rational, sondern ganz existenziell vor Augen ist: Wir haben hier keine bleibende Stadt (Hebr 13,14).

Als Pfarrer habe ich Menschen im Sterben begleitet. Und Beerdigungen sind einer der wenigen Dienste, die mir bei der OJC fehlen. Ich bete gern mit Ps 90,12: Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden. Mich erdet das. Ich bin dankbar, dass ich leben kann. Prioritäten sortieren sich. Ich lebe die Zeit mit Perspektive Ewigkeit: im Horizont der Auferstehung Jesu.
Jonas Großmann, Jg. 1987

Ich hab es gewagt

**Ende September 2023 bin ich nach Kona (Hawaii) geflogen, um mit Jugend mit einer Mission (YWAM ) eine Bibelschule zu besuchen. Alleine auf eine Insel im Pazifik zu fliegen, ohne wirklich zu wissen, was mich erwartet, war nur der Vorspann. Ich teilte mit zehn anderen Mädels aus der ganzen Welt ein Zimmer und mit 900 Studenten einen Campus. **

Ein neues Kapitel im Leben, ohne ständig das Abitur oder die Zukunft im Kopf zu haben, ein neuer Blickwinkel auf die Welt. Nach drei Monaten bin ich mit einem Team von sieben jungen Leuten für einen Missionseinsatz nach Fiji geflogen. Die nächste große Veränderung wartete auf mich. Mein Team kannte ich noch gar nicht und auch das Land war ganz neu für mich. Unsere Ankunft werde ich niemals vergessen: Mitten in der Nacht wurden wir mit einem strahlenden „Bula, Bula“ und dicken Umarmungen begrüßt. Die Angst vor Veränderung wurde mir schlagartig genommen.

Diese Herzlichkeit, Lebensfreude und tiefe Liebe für die Mitmenschen und für Jesus konnten wir jeden Tag erleben und uns anstecken lassen. Anstatt sich ständig von Sorgen leiten zu lassen, wurde viel getanzt und gelacht. Familie und Gastfreundschaft sind essenziell und das Zuhause soll ein Ort sein, an dem sich jeder willkommen fühlt – genauso wie Jesus mit jedem am Tisch gesessen und gegessen hat. Diese Hingabe für andere, oft fremde Menschen bewundere ich sehr. So gerne will ich, dass diese Leichtigkeit und Freude am Leben sich auch einmal an meinem Esstisch widerspiegeln.
Rahel Nölling, Jg. 2003

Wenn Gott ins Leben kommt

Meinen „Change“ erlebte ich durch die bewusste Entscheidung, fortan mein Leben mit Gott leben zu wollen. Ich war 20 Jahre alt und meine tiefe Sehnsucht nach vollem, überfließendem Leben kam zum Ziel. Wo ich es vorher gesucht hatte, war es nicht zu finden. Was jetzt spürbar in mein Leben kam, war die Freude, in der Bibel zu lesen. Und die Liebe zu den Menschen in meiner Heimatgemeinde.

Diese innere Wendung überraschte mich, haftete doch vorher an allem Frommen und den Frommen das Etikett „langweilig“. Und ich begann mit der „Stillen Zeit“: am Tag ausgesparte Zeit für mich und Gott. Um ihm zu begegnen, als Raum für Dank, Bitte und Fürbitte. Viele Verse in meiner Bibel wurden unterstrichen und ich lernte sie auswendig – bis heute profitiere ich davon.

Es gibt für mich (fast) nichts Selbstverständlicheres, als morgens aufzustehen, mir eine Tasse Kaffee zu machen, mich auf die Couch zu setzen und die erste Stunde des Tages Gott zu widmen. Danach kann ich aufstehen und orientiert, ermutigt und mit neuen Impulsen in meinen Tag gehen.
Christine Casties, Jg. 1961

Was, wenn unser Herz was lernt?

**An einem Erzählabend erlebte ich den betagten Friso Melzer, einen Freund der OJC, wie er aus dem Stand, ohne Zettel, wunderschöne Texte rezitieren konnte. Das hat mich in meinen Zwanzigern tief beeindruckt. Ich merkte sofort, was das für ein Schatz sein kann. Gedacht, gemacht. Auf Englisch heißt Auswendiglernen „learning by heart“ . Das beschreibt den Zugewinn, den ich erlebe – das Herz lernt Neues. **

Jetzt, in meinen Fünfzigern ist darin ein stattliches Texterepertoire. Ob Taufspruch, Konfirmationsvers oder Texte geistlicher Menschen, wie die Heilig-Geist-Gebete von Hrabanus Maurus oder Stephan Langton: Weil auswendig abrufbar, kann ich diese Texte zu mir sprechen lassen. Kann ich nicht einschlafen und denke herum, kann ich mit ihnen das Programm wechseln und meinem Herzensohr verheißungsvollere Worte schenken. Das macht einen Unterschied. Auch in herausfordernden Momenten kann es sein, dass mir eine solche Textpassage in den Sinn kommt. Ich habe sie ja inwendig. Sie weiten meine Sicht auf den Stand der Dinge, auf das, was zählt. Danke, lieber Friso, für diese gute Idee.
Matthias Casties, Jg. 1968

Die Lebensbrücke sanieren

Was, wenn durch geistlichen und sexuellen Missbrauch Menschen dermaßen beschädigt werden, dass die Lebensbrücke zusammenbricht und der totale Absturz droht?

Ein Betroffener schreibt:
…um das zu realisieren, braucht es ein überhängendes Gerüst, mit dessen Hilfe man die maroden Stellen im realen Leben erreichen kann. Bei diesem Gerüst spielt das Gegengewicht die entscheidende, tragende Rolle. Der Weg auf meiner Lebensbrücke innerhalb der Christusträger-Communität wurde je länger je mehr zur Communitöt. Bereits von Anfang an war dieser Abgrund immer stärker werdend präsent. Lange folgte ich dieser Spur haarscharf am Krater entlang und aus dem aufrechten Gang wurde ein Überhang in den Abgrund. In dieser Schräglage sah ich in die Tiefe. Wo um Himmels willen war das Gegengewicht? Mit 15 hatte ich doch ganz bewusst mein Leben in die Hände von Jesus gelegt, um ihm radikal nachzufolgen.

Dieses In-seinen-Händen-Sein hat mich gehalten. Dieses Gegengewicht: Gehalten, um die anderen zu verlassen, Heilung anzunehmen und sie auch für die Brüder zu wollen. Gehalten, um ein anderes äußeres Leben aufzubauen. Gehalten, um die inneren Sanierungsarbeiten an meiner Lebensbrücke durch Seine Hände geschehen zu lassen. Ich ging durchs Feuer und habe doch keinen Rauchgeruch an mir.

von Karl C. Lakowitz, Jg. 1946

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