Zeitenwende
Zeitliche und historische Umbrüche jeglicher Art irritieren und frustrieren und fordern heraus. In der Wende der Zeiten rückt bis dahin Wichtiges auf einmal nach hinten und scheinbar Randständiges mit einem Schlag prominent in den Vordergrund. Sind wir in der Lage, das eine vom anderen zu unterscheiden?
Editorial
Die Zukunft gehört denen, die der nachfolgenden Generation Grund zur Hoffnung geben.
– Pierre Teilhard de Chardin
Liebe Freunde
„Das können wir keinesfalls so drucken“, platzt eine Gefährtin im Salzkorn-Redaktionsteam heraus, als wir uns zum ersten Mal durch den Entwurf für dieses Heft arbeiten. Nach einer anfänglichen Irritation und Frustration („Was haben uns die Layouter hier geschickt?!“) sickert langsam ins Team: Die Gestaltung ist Programm! Was der werte Leser in Händen hält, ist kein Fehldruck, sondern Programm: Zeitenwende!
Zeitliche und historische Umbrüche jeglicher Art irritieren und frustrieren und fordern heraus. In der Wende der Zeiten rückt bis dahin Wichtiges auf einmal nach hinten und scheinbar Randständiges mit einem Schlag prominent in den Vordergrund. Sind wir in der Lage, das eine vom anderen zu unterscheiden?
Ende oder Wende?
„Unsere westliche Gesellschaft steht in einer Zeitenwende. Das Grundgefühl der Unbehaustheit, zerbrochene Beziehungen und eine wachsende Sinnkrise fordern uns heraus, neue Perspektiven zu entwickeln.“
OJC Leitbild
Was wir vor über 15 Jahren formuliert haben, wird uns täglich vor Augen geführt: Die Letzte Generation macht auf allen Kanälen auf sich aufmerksam. Die einen feiern sie, die anderen hassen sie. Wie auch immer man zu ihr steht, sie verstärken, was ständig aus Medien, Politik und Kirche tönt: Das Ende naht! Ständig steuern wir auf irgendwelche Kipppunkte zu, eine apokalyptische Botschaft jagt die andere. Das lässt die Seele dünnhäutig werden. So twitterte Greta Thunberg im Jahr 2018 um diese Jahreszeit: „Ein führender Klimawissenschaftler warnt, dass der Klimawandel die gesamte Menschheit auslöschen wird, wenn wir in den nächsten fünf Jahren nicht aufhören, fossile Brennstoffe zu nutzen.“ Das halbe Jahrzehnt ist rum, der Tweet ist mittlerweile gelöscht, doch die Verunsicherung bleibt.
Eine bodenständige Hoffnung mit Zukunft vermittelt hingegen der australische Agrarexperte Tony Rinaudo, dessen Ansatz eine nachhaltige Wende im klimawandel-geplagten Afrika einleitete. Zutiefst beeindruckt hat mich die Begegnung mit diesem Mann der „konstruktiven Realitäten“, der demütig und beherzt zugleich ein Ziel verfolgt hat, als es noch niemand außer ihm sehen konnte. Seinen Vortrag beim Kongress Christlicher Führungskräfte in Berlin mit dem hoffnungsvollen Zeugnis drucken wir dankbar in diesem Heft zum Ansporn für uns alle. (S. 13)
KI - eine neue Ära?
In meinem Mannschaftsjahr in der OJC sangen wir oft den frommen Schlager
„In die Zeitenwende hast du uns gestellt. Hier sind Herz und Hände für die neue Welt.“
Eine „neue Welt“ bahnt sich auf jeden Fall mit der rasanten Entwicklung der Künstlichen Intelligenz an. In kaum einem Bereich werden so viele alltagserleichternde Fortschritte gemacht, die gleichzeitig ein bedrohliches Potenzial in sich bergen. Im Gespräch mit Prof. Dr. Thilo Stadelmann aus Zürich loten wir aus, was dieser Umbruch für uns Christen bedeuten kann (S. 26). Das Interview ist übrigens in voller Länge im OJC-Podcast „feinhörig“ zu hören.
In diesem Zusammenhang laden wir euch auf unsere neue OJC-Website (ojc.de) ein, die nun deutlich schlanker, übersichtlicher und auf dem neusten Stand der Technik ist. Von dort gelangt man zu allen ebenfalls runderneuerten Seiten unserer Wirkungsfelder.
Dankbar und fragend zugleich
„Die Zukunft gehört denen, die der nachfolgenden Generation Grund zur Hoffnung geben“, schreibt der französische Jesuit Pierre Teilhard de Chardin. Genau das geschieht wöchentlich mehrfach auf dem Erfahrungsfeld Schloss Reichenberg. Ganze Schulklassen kommen und trainieren im wahrsten Sinne des Wortes, wie gemeinschaftlicher Zusammenhalt gelingen kann.
Und doch wurmt uns in der Arbeit mit jungen Menschen eine Sache: Es scheint nicht mehr selbstverständlich zu sein, dass unser Jahresteam voll wird. Wir stehen ratlos vor der Tatsache, dass sich so wenige für das nächste Jahr beworben haben. Es mag entlastend sein, dass es anderen Werken nicht besser geht, ändert aber nichts an der herben Situation. Wir stehen also auch als OJC mit unserem Kerngeschäft an einer Zeitenwende. Bitte betet für und mit uns, dass wir die Gründe verstehen und offensiv neue Wege in unserem Auftrag gehen, jungen Menschen in Jesus Christus Heimat, Freundschaft und Richtung zu geben. Hier sind wir auch auf den Rat und auf zukunftsweisende Ideen unserer Ehemaligen angewiesen. Was man bei uns in einem Jahr erleben kann, davon berichtet Silas Wolfsberger aus der vorletzten Jahresmannschaft (S. 31).
Zeitenwende?
Wie gebannt starrten wir auf den Röhrenbildschirm, als Nelson Mandela aus dem Gefängnis entlassen wurde. Es war der 11. Februar 1990, zwei Tage vor meinem vierzehnten Geburtstag. Hautnah erlebte ich als Schüler mit, wie das Ende der Apartheid zu einer wahren Wende für das Land wurde. Es war genau jener Kairos, nach dem wir uns als Missionarsfamilie so sehr gesehnt hatten.
Wie werden wir einst auf die heutige Zeit schauen? Wie werden wir in zehn, zwanzig Jahren die Ereignisse, die uns heute in Atem halten, bewerten? Geht etwas zu Ende oder ist es der notwendige Startschuss für eine radikale Wende? So unbequem und bedrohlich die Gegenwart auch sein mag, für einen Christen ist sie stets eine „gute Zeit“. Weil wir einen Gott haben, der seine Geschichte ins Ziel bringt, muss uns auch diese Zeit dienen. Wir halten Ausschau nach dem Kairos, nach den Zeiten Gottes, die wir auskaufen sollen (Eph 5,16), um mit Herz, Hirn und Händen dabei zu sein, wenn er sie barmherzig und schöpferisch wendet.
In diesem Sinne wünschen wir allen eine gesegnete und stärkende Sommerzeit.