Zeichen der Zeit. Gesellschaftspolitische Tagung in Bad Blankenburg

Was sind unsere Chancen als Christen in der heutigen Zeit und wie können wir gesellschaftspolitisch wirksam werden? Auf welche aktuellen und zukünftigen Themen und Fragen können sich Nachfolger Christi schon heute vorbereiten? Dankbar blicke ich auf die inspirierende, herausfordernde und ermutigende gesellschaftspolitische Tagung „Zeichen der Zeit“ des Arbeitskreises Politik der Evangelischen Allianz Deutschland (EAD) zurück, die vom 9. – 11. März 2023 in Bad Blankenburg stattfand.

Als Mitglied dieses Arbeitskreises und Mitgestalter der Konferenz war ich schon gespannt, wie die Teilnehmer reagieren würden. Denn im Vorfeld war es uns wichtig, den Blick auf die Zukunft zu richten, nach dem Motto: Wie können wir uns schon heute auf die Themen von morgen vorbereiten?

Rückspiegel-Christen

Die Tagung eröffneten Frank Heinrich1 und ich mit zwei kurzen Impulsreferaten. Frank Heinrich verwendete das passende Bild: „Als Christen fahren wir zwar Richtung Zukunft, blicken aber oft wie gebannt in den Rückspiegel.“ Wir sehen oft nur die ethischen Landverluste und sind so viel mit Rückzugsgefechten beschäftigt, dass wir die Zukunftsthemen verpassen. Engagiert zeigte er den über 40 Teilnehmern auf, was sich in den letzten Jahrzehnten alles zum Besseren gewendet hat, und zitierte einige Beispiele aus dem Bestseller „Factfulness – Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist“ von Hans Rosling. Persönlich kann ich dieses Buch nur empfehlen: Es ist ein Manifest gegen jede Schwarzmalerei. Entscheidend ist unser Blick: Schauen wir in die Zukunft oder trauern wir dem Gestern hinterher?

In meinem Impulsreferat bestätigte ich die Tatsache, dass die ethischen Verschiebungen, die politisch in Gesetze gegossen wurden (z. B. Lebensschutz, Sterbehilfe, sexuelle Vielfalt, etc.) viele Christen als herbe Verluste empfinden und das Vertrauen in die Politik nachhaltig geschädigt haben. Gerade unter Konservativen breitet sich ein Gefühl der Ohnmacht, Resignation, wenn nicht gar Aggression gegenüber Politik und staatlichen Institutionen aus. Mir war es wichtig zu betonen, dass wir uns nicht auf der faulen Haut ausruhen dürfen, sondern unser Mitwirken gefragt ist. Christsein verwirklicht sich nun mal im Spannungsfeld zwischen Zeitgeist und Heiligem Geist. Der Zeitgeist zeigt, welche gesellschaftliche Situation und Herausforderung gerade obenauf liegen. Der Heilige Geist offenbart, was unser beherzter und offensiver Beitrag in dieser Zeit ist. Es sei nicht an der Zeit, in depressive Resignation oder frommen Rückzug zu verfallen, sondern mit himmlischem Optimismus beherzt gesellschaftlich anzupacken.

Die Tagung war insgesamt eine wirkliche Ermutigung und ich hätte mir gewünscht, dass noch mehr Teilnehmer gekommen wären. Denn es ging bei Johanna Weddigen2 um Glaube und Resilienz. Ihre für mich wichtigste Botschaft lautete: Resilienz kann man stärken und trainieren und der Glaube ist eine wichtige Quelle dafür. Es ging um die Zukunft des Lernens mit der Bundestagsabgeordneten Anja Karliczek, die von 2018 bis 2021 Bundesministerin für Bildung und Forschung war. Sie bedauerte ausdrücklich, dass zu wenig über die Bedeutung von Gemeinschaften und Kirche für die Herzens- und Charakterbildung junger Menschen gesprochen würde.Gespannt warteten wir auf den Beitrag zum Thema Krieg und Frieden von Johann Matthies3. Er gab dem altersdurchmischten Tagungspublikum eine historische Einordnung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Er selbst ist geboren und aufgewachsen unter der Diktatur in Kasachstan und hat durch unzählige Reisen und Beziehungen nach Russland und in die Ukraine umfassende Kenntnisse über die Region erworben. Im Sinne von Friedrich Schillers: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“, konnte er als überzeugter Mennonit einsichtig machen, warum eine Unterstützung der Ukraine für den Westen unumgänglich ist. In Situationen wie dieser, in der es keine einfachen Lösungen gibt, brauchen wir erst recht den Heiligen Geist, der uns hilft zu klären und zu unterscheiden, was das Leben fördert.

Was ich schon immer mal fragen wollte …

Ein besonderes Highlight war das Kamingespräch mit Johannes Selle und Frank Heinrich, die viele Jahre als Abgeordnete im deutschen Bundestag dienten. Sie berichteten von ganz persönlichen Herausforderungen und komplizierten Entscheidungsabwägungen in politischen Abstimmungen. Auch davon, dass sie beide ursprünglich gar nicht in die Politik wollten – was die Anwesenden überraschte – aber wie sie von ihrem Umfeld ermutigt und bestätigt worden sind, den Schritt zu wagen. Freimütig sprachen sie von inneren und äußeren Nöten und ihrem Umgang damit. Ein Lernabend für alle politisch Engagierten, angehende und routinierte gleichermaßen. Christsein und Abgeordnetersein sind kein Widerspruch, sondern lassen sich fruchtbar vereinbaren.

Der letzte Vortrag kam von Matthias Ehmann4 zum Thema „Wie Kirche werden muss“. Mit seinen kantigen Thesen für eine Kirche von Morgen forderte er das Publikum zu einer kontrovers-fruchtbaren Diskussion heraus. Am meisten geht der Gedanke mit mir: Unsere Gesellschaft brauche eine Kirche, die sich „in die Risse“ und „Schmerzpunkte“ vor Ort hineinstellt.

Zum Schluss

Uwe Heimowski, politischer Beauftragter der EAD, und Dorothea Kirschner, die im Berliner Büro der EAD die Leitung innehat, interviewten einige Teilnehmer der Tagung in einer abschließenden Plenumsrunde, u.a. Jahmilia Kargbo5 und Ulrich Effing6. In dieser Runde wurde unser Engagement im Irak mit der ojcos-stiftung durch David Müller und das politische Engagement der OJC in der Form eines Interviews mit uns beiden in besonderer Weise als Beispiel gesellschaftlich-politischen Engagements hervorgehoben und gewürdigt.

„Zukunft wagen – Hoffnung riskieren – politisch handeln“ war das Motto dieser Tagung, das sich wie ein roter Faden durch alle Vorträge, Gesprächsgruppen und Andachten zog. Die Herausforderungen wurden nicht ausgeblendet, die Probleme der Zukunft beim Namen genannt und doch lag als fruchtbarer Boden unter allem die Hoffnung, die wir als Christen durch Christus selbst haben. Eine Hoffnung, die zum Handeln ermutigt und befähigt.

Mein Resümee: Es hat sich absolut gelohnt. Seid Ihr das nächste Mal dabei?

 

Anmerkungen:

  1. Vorsitzender der EAD und ehemaliger Bundestagsabgeordneter
  2. Geschäftsführerin des Alphakurses
  3. Leiter von Multiply-MB Mission in Europa und Zentral Asien und Mitglied im Arbeitskreis Politik
  4. Professor für Missionswissenschaft und interkulturelle Theologie an der theologischen Hochschule Ewersbach
  5. Jungparlamentarierin aus der Großstadt Oberhausen
  6. Langjähriger Leiter der Unternehmenskommunikation der Deichmann-Gruppe und Leiter des Seminars „Krisenkommunikation“ der Christlichen Medienakademie

Zum Arbeitskreis Politik der EAD gehören:

Lisa Walter (Vorsitzende des Arbeitskreises), Frank Heinrich (Vorsitzender EAD), Wolfgang Büsing (Geschäftsführer Arbeitsgemeinschaft Evangelische Missionen), Carsten Korinth (Referent Jugendpolitik und Grundsatzfragen beim CVJM Deutschland), Ute Hauser (Mitarbeiterin des Vereins für Völkerverständigung), Uwe Heimowski (vormals Politischer Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz), Konstantin Mascher (Prior Offensive Junger Christen – OJC), Johann Matthies (Leiter von Multiply-MB Mission in Europa und Zentral Asien), David Müller (Politikreferent für Religionsfreiheit der ojcos-stiftung), Johannes Schwarz (Redakteur PRO Magazin), Johannes Selle (ehemaliger Bundestagsabgeordneter).

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