Aus bunt wird Bund. Irritationen am Ende des Regenbogens | OJC

Aus bunt wird Bund – Irritationen am Ende des Regenbogens

Pia Holzschuh – Der Regenbogen begegnet mir im kirchlichen Kontext vor allem dort, wo Kinder sind. Von den Vorstellungsplakaten der Erstkommunionkinder leuchtet er mir oft entgegen und auch bei Kinder- und Familiengottesdiensten scheint er allgemein ein beliebtes Motiv zu sein. Er ist bunt und strahlt etwas Fröhliches aus – und vielleicht ist er auch deswegen so beliebt, weil man ihn sogar ohne große zeichnerische Begabung erkennbar aufs Papier bekommt. Die Geschichte mit Noah, der Arche und den vielen Tieren lässt sich schön in vielen verschiedenen Gestaltungsformen erzählen und die Botschaft des Bundes Gottes mit der Welt, die dahinter steht, ist noch schöner. Und passt dazu noch wunderbar zu einem ökologischen Bewusstsein. Die Arche Noah und das Zeichen des Regenbogens. Harmo­nische Wohlfühlatmosphäre pur. Fast schon an der Grenze zum Kitschig-Rührseligen. Oder etwa nicht?

Den Gedanken, dass zuvor fast alle Menschen und Lebewesen ertrinken, muss man natürlich etwas ausklammern. Auch der Geruch, der beim Bundesschluss wohl in der Luft lag, passt nicht ganz zu unserem ­Regenbogenbild. Noah brachte nämlich von jedem reinen Tier ein Brandopfer dar. Apropos Tiere: Furcht und Schrecken vor euch sei auf allen Tieren (Gen 9,2) und Alles, was sich regt, was da lebt, soll euch zur Speise sein (Gen 9,3). Das sagt Gott zu Noah und seinen ­Söhnen. Sätze, die ohne weitere Deutung Tierschützern und Vegetariern nicht gefallen dürften. Weiterlesen ­sollte man auch nur bedingt, wenn man in der „Regenbogenstimmung“ bleiben möchte, denn es folgen die Verfluchung Kanaans durch Noah und der Turmbau zu Babel. Ruft man sich jetzt noch Bilder von Erdbeben, Überschwemmungen, Tsunamis, Dürren usw. ins Gedächtnis, dann sinkt der Wohlfühlfaktor erheblich.

Nach der Sintflut hat sich anscheinend wenig geändert. Die Menschen sündigen die ganze Menschheitsgeschichte hindurch weiter und von einer harmonischen Beziehung zu unserer Umwelt sind wir heute wahrscheinlich weiter entfernt als jemals zuvor. Damit stellt sich dann auch die Frage, was die Erzählung von der Sintflut uns eigentlich sagen soll. In Gen 6 wird    erzählt, dass Gott auf die Bosheit der Menschen sieht und es ihn reut, sie erschaffen zu haben. Zu Noah, dem frommen Mann ohne Tadel, der vor Gott wandelt, sagt er: Das Ende alles Fleisches ist vor mich gekommen; denn die Erde ist durch sie erfüllt von ­Gewalttat; und siehe, ich will sie verderben mit der Erde (Gen 6,13). Um Noah direkt im Anschluss den Auftrag zum Bau der Arche zu geben und so den Fortbestand der ­Tiere und Menschen zu sichern. Und damit auch den Fort­bestand von Ungerechtigkeit und Bosheit. ­Warum dann überhaupt die Flut? Damit Gott die Zusage machen kann, dass nie mehr alles Fleisch ausgerottet werden soll durch das Wasser der Flut (Gen 9,11), was er so gesehen schon bei dieser Flut nicht getan hat! Lässt sich die Aussage der Erzählung rein darauf reduzieren, dass, solange die Erde besteht, Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht (Gen 8,22) nicht aufhören? Natürlich ist auch das ­eine wunderbare Zusage. Aber verblasst sie nicht etwas, wenn man bedenkt, dass ansonsten alles beim Alten bleibt? ­Naturkatastrophen bedrohen Leben, die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt bleibt gestört und wir können heute angesichts der von uns verursachten Umweltzerstörung scheinbar nur noch versuchen, den Schaden möglichst gering zu halten.

Was bleibt denn da vom Regenbogen übrig, wenn die Welt weiterhin gebrochen ist? Entscheidend ist ­genau das. Dass Gott einen Bund mit seiner Schöpfung schließt, obwohl es genauso sündenbehaftet weitergeht wie zuvor. Der Anfang der Genesis zeigt uns Gott als Schöpfer, der die Welt, alle Pflanzen und alle ­Lebewesen auf ihr und den Menschen als sein Ebenbild wunderbar schafft und für gut befindet. Doch mit dem Sündenfall gerät die Schöpfungsordnung aus den Fugen. Der Bund Gottes mit Noah ist streng genommen kein Neustart, keine neue Schöpfung. Aber es zeigt sich hier erstmals ein weiterer Aspekt Gottes neben dem des Schöpfers. Der barmherzige Gott. Der Gott, der die Welt trotz ihrer Ungerechtigkeiten und Bosheiten nicht auslöscht, sondern sogar einen Bund mit ihr schließt. Wenn man die Schöpfungserzählungen als „Ja“ Gottes zu seiner Schöpfung liest, dann kann man diesen Bund als sein „Ja“ zur gebrochenen und verwundeten Schöpfung lesen. Einen ewigen Bund, den er nicht nur mit dem Menschen schließt, sondern mit jedem lebenden Wesen, das bei euch ist (Gen 9,10) und der ganzen Welt. Meinen Bogen setze ich in die ­Wolken, und er sei das Zeichen des Bundes zwischen mir und der Erde (Gen 9,13). Dieses „Ja“ zieht Gott nicht zurück. Auch wenn wir beim Umgang mit der Schöpfung, die uns geschenkt wurde und deren Teil wir sind, scheitern.

Mit einem Gott, der die Schuld erträgt, klingt in diesem Bund schon ganz leise der neue Bund an. Der Bund, in dem sich in Christus Gott als derjenige zeigt, der die Schuld nicht nur erträgt, sondern selbst trägt: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird (Lk 2,20).

Die Erzählung von Noah und der Arche ist also nicht nur eine schöne Geschichte für die nächste Kindergruppenstunde. Sie wirft Fragen auf, die sich so einfach nicht beantworten lassen und sicher auch unterschiedliche Deutungen ermöglichen. In ihrem ­Zentrum steht jedoch die Botschaft des Bundes. So zeigt sich dann auch, dass der Regenbogen eben kein kitschiges Zeichen für eine heile Welt ist. Er ist Zeichen der vollkommenen Liebe und Treue unseres barm­herzigen, erlösenden Gottes inmitten einer unvollkommenen Welt. 

Von Pia Holzschuh

 

Salzkorn 4 / 2020: (W)erschöpft? Ökologie und Hoffnung
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