Sehr gut! Schöpfungsprädikat toppt Umweltaktivismus | OJC

Sehr gut! Schöpfungsprädikat toppt Umweltaktivismus

Graham Tomlin – Der letzte Bereich des Wirkens des Geistes in der Welt ist die Natur, die physische Umwelt um uns herum. Umweltschutz und Umweltpolitik sind in den letzten Jahren mit zu den heißesten politischen Eisen geworden, die zu ignorieren kein Politiker sich mehr erlauben kann. Hat der christliche Glaube etwas zu sagen zu den Ängsten bezüglich des Klimawandels, der Zerstörung von Ökosystemen und dem Aussterben von Tier- und Pflanzenarten? Das Verständnis der ­Rolle des Menschen als Mitarbeiter des Geistes Gottes bei der Fürsorge für die Schöpfung kann etwas sehr Wichtiges zu dieser Debatte beitragen.

Erstens gibt es der Umweltproblematik einen zentra­len Platz in jedem christlichen Programm für die heutige Welt. Die Umweltthematik ist keine Ablenkung von „wichtigeren“, „geistlicheren“ Themen; sie ist ein zutiefst christliches Thema, weil sie mit der Grund­berufung des Menschen zu tun hat. Wenn die Menschheit die Aufgabe hat, die Schöpfung zu bebauen und zu bewahren, dann müssen Christen, wenn sie ihrer Rolle als der neuen Menschheit in Christus gerecht werden wollen, in ihrem Handeln vor Ort die Fürsorge für die Umwelt mit ganz oben auf die Prioritätenliste setzen. 

Zweitens ist ein pneumatologisch orientierter christlicher Glaube die einzige realistische Basis für die Annahme, dass wir die Erde bewahren müssen.* In der Antike finden wir verschiedene Arten, die Natur zu sehen. Die Kosmologie der babylonischen und griechischen Schöpfungsmythen (von denen der Schöpfungsbericht in der Bibel sich bewusst abhebt) sah die Welt als Ergebnis kriegerischer Auseinandersetzungen in der Götterwelt, als mehr oder weniger zufälliges Nebenprodukt der Gewalttätigkeit der Götter – kaum eine geeignete Grundlage, auf der man einen immanenten Wert der Welt behaupten kann. Die griechischen Epen Homers und Hesiods sahen die Welt als sich verändernd, aber es war eine Veränderung zum Schlechteren. Die Welt hat mit dem Goldenen Zeitalter begonnen, doch diese Zeit ist vorbei und daran können wir nichts ändern. Für Plato war die physische Welt eine unvollkommene Kopie des Eigentlichen – der ab­strakten „Ideen“, die zeitlos-perfekt auf einer über uns liegenden metaphysischen Ebene existieren. Und die Gnostiker des 1. Jh n. Chr. boten eine verschrobene ­mythologische Version von Platos Weltsicht und glaubten, dass die Bestimmung und das Ziel der Menschheit darin bestanden, aus dieser hässlichen, unvollkommen irdischen Welt in das Reich des reinen Geistes zu entfliehen. 

Alles nur Zufall?

Keine dieser antiken Weltsichten sah die physische Welt als etwas, das in sich gut und mithin bewahrenswert war. Entweder steckten sie in einem düsteren Zukunftspessimismus fest oder ihre Zukunftshoffnung bestand in der Flucht aus dem physischen Universum in eine andere, rein geistige Welt. Keine dieser Alternativen taugt als solide Basis für Programme zur Bewahrung der Erde. Und bei den moderneren Weltanschauungen sieht es nicht viel besser aus. Dem heutigen wissenschaftlichen Atheismus bleibt nichts anderes übrig, als kleinlaut zu behaupten, dass die Welt im Wesentlichen durch Zufall entstanden sei. Damit aber hat sie nur den Wert, den wir ihr subjektiv zugestehen, aber keinen Wert in sich. Es mag gewisse physikalische Gesetze geben, die bei ihrer Entstehung wichtig waren, oder biologische Gesetzmäßigkeiten, die die Evolution des Lebens gelenkt haben, aber ihr letzter Ursprung liegt im sinnlosen Zufall. 

Nun ist es heute geradezu ein Dogma geworden, dass wir die Erde bewahren müssen. Der Klimawandel wird heute als die vielleicht größte Bedrohung nicht nur für die Menschheit, sondern für das Leben auf der Erde überhaupt wahrgenommen, und niemand zweifelt ­daran, dass es wichtig ist, das Spitzmaulnashorn, den Affenbrotbaum oder die Ostsee zu „retten“. Aber wenn man dann fragt, warum die Ostsee es wert ist, sie vor dem ökologischen Umkippen zu bewahren, werden die Antworten etwas dünn. Meist wird ­irgendein pragmatischer Grund genannt, am häufigsten das Über­leben: Wir müssen die Erde für unsere Enkelkinder ­bewahren. Aber ist dies nicht wieder so eine Begründung von der zweckrationalen Sorte, die davon ausgeht, dass die Schöpfung für uns existiert und nicht in sich selbst etwas Gutes ist? Sie sieht im Überleben der Spezies das höchste Gut, aber sie gibt diesem Überleben, ja der Welt keinerlei Sinn. Und das Leben ist doch wohl mehr, als dass es mich morgen auch noch gibt. Der säkulare Humanismus, der zu dem Bekenntnis gezwungen ist, dass der physischen Welt letztlich kein Sinn, keine Bedeutung und kein Wert ­innewohne, lässt nur den eher dürftigen Schluss zu, dass der einzige Grund dafür, diese Erde wert­zuschätzen, ­darin ­bestehe, dass sie der einzige Ort sei, wo wir leben können, und dass wir halt nicht sterben wollen. Und hinter diesem Gedanken, dass wir die Erde deshalb bewahren müssen, weil sie unsere einzige ­Heimat ist, steht letztlich ­genau jene anthropozentrische Weltsicht, die uns nach Meinung vieler Umweltaktivisten in die ­Bredouille gebracht hat, in der wir heute ­stecken. Nein, hier finden wir keine Antwort. 

Und es war sehr gut!

In schroffem Gegensatz zu all diesen Weltanschau­ungen steht die jüdisch-christliche ­Schöpfungslehre, die als einzige Weltsicht sagt, dass die physische Welt, in der wir leben, fundamental und unwiderruflich gut sei. Unser Planet Erde ist in sich etwas Gutes. Er braucht nicht erst die Menschheit, um ihn gut zu machen, weil sein Gutsein daher kommt, dass er das Werk der Liebe eines guten und kreativen Gottes ist, eines Gottes, der am Ende seines Schöpfungswerkes alles ansah, was er gemacht hatte, und es als „sehr gut“ (Gen 1,31) bezeichnete.

Und unsere Welt hat auch eine Zukunft. Der Geist bläst dem, was tot ist, neues Leben ein und führt die Schöpfung zu ihrer Bestimmung. Dies ist die einzig taugliche Basis für unser heutiges ökologisches Engagement; hier bekommt das Universum einen Wert in sich selbst und eine lebendige Zukunftshoffnung. Die Schöpfung ist es wert, dass wir sie erhalten und bewahren, weil sie etwas Gutes ist. Wir engagieren uns nicht für sie, weil unsere Enkel uns leidtun oder weil wir halt ­irgendwo leben müssen, sondern weil sie es wert ist.

Der Geist schwebt über der Schöpfung, gibt ihr Vollendung und Erfüllung. Und er tut das, weil die Schöpfung etwas Gutes ist. Gott macht die Menschen zu seinen Mitarbeitern bei der Vermittlung seiner Liebe und kreativen Gegenwart an die Welt, und als die Menschen selbst ein Teil des Problems wurden, sandte er seinen Sohn in die Welt, um uns zu erlösen, und seinen Geist, um uns zu erfüllen, sodass wir wieder Gemeinschaft mit ihm haben und wieder die uns von ihm gegebene Rolle in der Welt spielen können.

Wer rettet die Welt?

Und drittens sind wir nicht allein bei unseren Bemühungen, diesen Planeten zu retten. In vielen „grünen“ Reden wird der Verbraucher an den Pranger gestellt, gerade so, als ob es allein an uns liegt, ob die Erde gerettet wird oder allmählich (oder auch plötzlich) für immer umkippt. Aber wenn wir ratlos vor der „Knechtschaft der Vergänglichkeit“ (Röm 8,21) stehen, in der die Schöpfung liegt, „nimmt sich (…) der Geist unserer Schwachheit an“ (Röm 8,26). Der Geist ist am Wirken in der Schöpfung; ständig erneuert er sie, gibt ihr ­Leben, überwindet den Verfall, bringt aus Tod ­neues Leben, lässt aus alterndem Beton trostloser Städtelandschaften Grashalme sprießen. Mitten in aller Umweltzerstörung gibt es Hoffnung – nicht, weil die Menschheit endlich die Ärmel hochkrempelt, sondern weil wir dann, wenn wir unseren von Gott selbst kommenden Ur-Auftrag wahrnehmen, die Schöpfung zu bewahren und sie so zu bearbeiten, dass sie das werden kann, wozu Gott sie erschaffen hat, Mitarbeiter bei etwas werden, was der Geist Gottes seit Urbeginn der Welt tut. Wir arbeiten zusammen mit dem Samen des Lebens, wir leben vom Geist, der über der Schöpfung schwebt und uns zur Vollendung führt. 

Von Graham Tomlin

Anmerkung 

  • Für den Inhalt der folgenden Absätze bin ich zum Teil einer unveröffentlichten Arbeit von James Orr zu Dank verpflichtet: Orr, Creation Crunch.

 

Salzkorn 4 / 2020: (W)erschöpft? Ökologie und Hoffnung
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