Bis zum Kipppunkt – Urbane Mission heißt dranbleiben

Denkraum

Folgender Text diente 2010 in Kapstadt auf der Konferenz der Lausanner Bewegung, der auch die OJC angehört, als Diskussionsgrundlage für den Arbeitsbereich Urbane Mission. Die Rückmeldungen der Fachreferenten und des Plenums sind in Timothy Kellers Buch Kirche in der Stadt, Brunnen Gießen 2017 (Center Church: Doing Balanced, Gospel-Centered Ministry in Your ­City, 2012) eingeflossen. Wir fanden, der Entwurf bietet in aller Skizzenhaftigkeit eine anregende Einführung in das Thema unseres Salzkorns und stellen ihn, geringfügig gekürzt und redigiert, auf Deutsch zur Verfügung. (red)

Timothy Keller – Was als Stadt gilt, bemisst sich heute vor allem an der Einwohnerzahl. Größere Ballungszentren nennen wir „Stadt“, kleinere „Gemeinde“ und die kleinsten „Dorf“. Im biblischen Sprachgebrauch meint der übliche hebräische Begriff „îr“ eine durch Wall oder Mauer befestigte Siedlung. In der Antike lebten bis zu dreitausend Menschen in einer „Stadt“, was eher die Bevölkerungsdichte als -zahl meinte. So heißt es in Psalm 122: Jerusalem, du bist gebaut als eine fest gefügte Stadt (Schlachter2000), also dicht verflochten und verfugt. 

Riskiert mehr Nähe!

In einer befestigten Stadt wohnte man in eng gedrängten Häusern und Gassen. Tatsächlich erstreckten sich antike Städte nur über fünf bis zehn Morgen Land mit bis zu jeweils 240 Menschen. Nur zum Vergleich: Auf gleichem Raum leben in Manhattan heute etwa 105 Personen.¹ Allen Lebensvollzügen konnte man in Gehweite nachkommen: wohnen und arbeiten, kaufen und verkaufen, Kunst herstellen und genießen, beten oder vor Gericht ziehen. All dies hatte der ländliche Raum nicht zu bieten. Und heute vermeiden unsere auf das Wohnen beschränkten „Vororte“ das auch ganz bewusst, was zur Folge hat, dass die Räume des Wohnens, der Arbeit, des Spielens und Lernens voneinander getrennt und über fußgängerfeindliche Zonen oft nur mit dem Auto zu erreichen sind.  Eine Stadt hingegen ist von Nähe gezeichnet. Sie bringt Menschen – und damit Wohnungen, Arbeitsstätten und kulturelle Einrichtungen – zusammen. So wird reges Leben auf der Straße und auf dem Marktplatz möglich und mehr Mensch-zu-Mensch-Interaktion und Austausch als anderswo. 

Werdet „resident aliens“!

Das meinen die biblischen Texte, wenn von „Stadt“ die Rede ist:

Jerusalem – Komm-Struktur des Heils: Bereits im Alten Testament avanciert die Stadt Jerusalem mit ihrer Heilsverheißung zum Modell einer urbanen Gesellschaft – Freude der ganzen Erde (Ps 48,3) –, an der die Welt ablesen kann, wie sich Leben unter Gottes Herrschaft gestaltet. Wir sprechen von ­einer „zentripetalen“ Dynamik der Mission in dieser Zeit: Gott ruft die Völker herbei, sie sollen glauben und seine Herrlichkeit, die im Volk der Erwählung Gestalt gewinnt, schauen. Am gemeinschaftlichen Lebenswandel Israels soll sich das Wesen Gottes offenbaren (5 Mo 4,5-8). 

Ninive – Geh-Struktur der Verkündigung: Die Geschichte des Jona zeigt eine Verschiebung hin zum „zentrifugalen“ Missionsverständnis, das im Neuen­ Testament in der Aussendung der Jünger in die ganze Welt gipfeln wird. Jona ist der einzige Prophet des alten Bundes, der eine heidnische Stadt zur Buße ruft und der im frappierenden Schlusswort Gottes dazu aufgefordert wird, die heidnische Stadt Ninive gerade wegen ihrer unzähligen geistlich blinden Bewohner zu lieben (Jona 4,10-11). 

Babylon – Durchdringung mit Schalom: Eine neuerliche Verschiebung zum Zentrifugalen bringt das babylonische Exil, als die Juden in die verderbte, heidnische, blutdürstige Stadt Babylon verschleppt werden. Wie soll sich ihr Verhältnis zu so einem Ort gestalten? Jeremia 28-29 eröffnet bemerkenswerte Ausblicke: Gott gebietet seinem Volk, dort zu wachsen … und nicht abzunehmen (Jer 29,6), die gemeinschaftliche Identität zwar zu wahren, sich jedoch niederzulassen und auf das Großstadtleben einzulassen. Häuser sollen sie bauen und Gärten anlegen und – man staune! – der Stadt dienen, nach ihrem Frieden und Wohlstand trachten und für ihre Belange zum HERRN beten (Jer 29,7). Die Juden sollen Stammesinteressen im Getto hinter sich lassen und mit ihren Ressourcen dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Was für ­eine Nutzen-Kosten-Bilanz! Obwohl das Wertgefüge der irdischen Stadt ­jener der Stadt Gottes scharf gegenübersteht, sollen die Bürger der Stadt Gottes sich vor allem als Bürger ihrer irdischen Städte bewähren. Das Gottesvolk wächst und gedeiht, indem es das Wohlergehen der Heidenstadt fördert: Wenn es ihr gut geht, wird es euch gut gehen (Jer 29,7). Alles bringt den Heilsplan voran: Weil Israel den Frieden der Stadt sucht, gewinnt es genug Einfluss und Gewicht, um später heimkehren und das Land wieder aufbauen zu können. Und dereinst werden die in der Diaspora verbleibenden, kosmopolitisch und international agierenden Zellen jüdischen Glaubens zum wichtigen Ausgangspunkt der Evangelisation im römischen Reich. 

„Resident aliens“ – engagierte Fremdbürger: Ob Israel im babylonischen Exil ein Modell für die Kirche wäre? Gewiss! Das Exil setzte dem Dasein Israels als Nation mit eigenem Staat- und Rechtswesen ein Ende und machte es zu einer internationalen Gemeinschaft mit Kontrastkultur unter den Völkern. Ähnlich der Kirche, deren Status Jakobus etwa als „Zerstreuung“ (Jak 1,1) und Petrus als „Verbannung“ (1 Petr 1,1) charakterisiert. Zweimal verwendet Petrus den Begriff parapidemois: weder Eingeborene noch Reisende, sondern „resident aliens” – Fremdbürger. Hier hallt die Botschaft aus Jeremia 29 wider: Sie sollen die Stadt weder erobern wollen, noch sich von ihr abschotten, sondern wie die Juden im Exil ihr Wohl suchen und sich dabei sowohl auf Feindseligkeit als auch auf Zuspruch einstellen, sofern die Heiden ihre „guten Werke sehen und Gott preisen“ (1 Petr 2,11-12). Allerdings ist diese Spannung von Anziehung und Abstoßung, die das Evangelium im ungläubigen Umfeld hervorruft, nicht ganz deckungsgleich mit dem, was das Verhältnis von Kirche und Welt durch die Geschichte hindurch geprägt hat. Miroslav Volf beschreibt dies in seiner Studie über den ersten Petrusbrief „Soft Difference” ²: Der Petrusbrief und die Bergpredigt (Mt 6,16) rechtfertigen weder den Optimismus eines evangelikalen Mainstream-Christentums, das eine Allianz von Christentum und Staat anstrebt, noch den Pessimismus einer reinen Seelenheil-Evangelisation. Nur gewisse Aspekte des christlichen Glaubens und Handelns werden in der heidnischen Umgebung Menschen zum Lob Gottes veranlassen. ³

Samaria – bis an die äußersten Enden der Welt: Die Kirche baut sich, wie Israel im Exil, aus Gemeinden, die über die Nationen versprengt sind. Die Apostelgeschichte bezeugt, wie die gewaltsame Vertreibung der Christen aus Jerusalem zum enormen Aufschwung der Mission führte. Unverzüglich zogen sie in die Stadt Samaria, die für fromme Israeliten in etwa so abstoßend war wie einst Ninive für Jona oder Babylon für die Juden. Doch die von der Kraft des Evangeliums verwandelten Christen nahmen die urbane Mission in Angriff (Apg 8, 1ff.). Gottes Heilswirken, das sich vormals auf bestimmte Städte wie Jerusalem oder Babylon bezog, weitete sich durch die frühe Kirche auf alle Städte der Welt aus. Paulus bereiste Athen, die intellektuelle Hochburg der griechisch-römischen Welt, dann die Handelsmetropole Korinth, später Ephesus als dominierende Kultstätte der Zeit, und kam schließlich ins Macht- und Militärzentrum des Weltreichs, nach Rom – als hätte er sich strategisch vorgearbeitet. ⁴ Er zählt Gemeinden entlang des Lycus-Tales in Laodicea, Hierapolis, Kollossä (Kol 4,13-16) zu seinen Jüngern, obwohl er diese Städte nie selbst besucht hat. Wahrscheinlich wurden sie von der Mission aus Ephesus erreicht. 

Schöpft das Potenzial der Stadt aus!

Städte sind kulturell relevant: In einem Dorf wird man zum Beispiel den einen oder anderen Rechtsanwalt für Christus gewinnen, aber um den Berufszweig zu gewinnen, muss man in die Stadt, an die Lehrstühle, zu den Zeitschriftenverlagen usw. 

Städte sind von globaler Relevanz: In einem Dorf bekehren sich Einheimische. Um aber das Evangelium in vielen Sprachen an viele Völker zu richten, braucht es die Stadt mit ihrer lingua franca, der Sprache, die viele verstehen. 

Städte sind personell von Relevanz: Während Stabilität und Verwurzelung den ländlichen Raum prägen, sind Städte Orte permanenter Irritation, Verschiedenheit und intensiver Begegnung mit dem Unbekannten. Städter sind entweder selbst Fremde oder aber viele Fremde in ihrem Umfeld gewöhnt und daher aufgeschlossener für Neues – auch für das Evangelium. 

Die junge Kirche konnte als urbane Bewegung in den Städten des römischen Reiches schon Menschen für Christus gewinnen, als das flache Land noch heidnisch war. In dem Maße wie der christliche Glaube die Städte ergriff, ergriff es folgerichtig die Gesellschaft. Rodney Stark entfaltet dies in The Rise of Christianity: „Den Städten mit ihren Obdachlosen und Verarmten hatte das Christentum Nächstenliebe und Hoffnung zu bieten. Den Städten mit ihren Ankömmlingen und Fremden bot es Begegnung und enge Anbindung. In Städten voller Witwen und Waisen bezeugte es ein neues und erweitertes Verständnis von Familie. Wo blutige Rassenkonflikte tobten, schuf es eine neue Grundlage für gesellschaftliche Solidarität. … Nicht, dass die Misere der Antike das Christentum hervorgebracht ­hätte, aber seine Kompetenz, der chronischen Not zu begegnen, wurde schnell offensichtlich und beförderte seinen Siegeszug. … [Denn die Christen] haben keine neue urbane Bewegung gestartet, sondern eine neue Kultur etabliert.“ ⁵

Überwindet geistliche Provinzialität!

Noch 1950 waren New York und London die einzigen Weltstädte, in deren Metro-Einzugsgebiet mehr als 10 Millionen Menschen lebten.⁶ Heute gibt es weit über zwanzig solcher Metropolen, zwölf davon sind erst in den letzten zehn Jahren so angewachsen. Weltstädte werden ökonomisch und kulturell immer bedeutsamer als Hauptsitz multinationaler Organisationen und internationaler Netzwerke in Wirtschaft, Gesellschaft und Technologie. Von hier aus fließen kulturelle Impulse in alle Sprachen, Stämme, Völker und Nationen. Jugendliche in den Metropolen haben oft mehr gemeinsam mit Altersgenossen in anderen Ländern als mit älteren Generationen vor Ort.⁷ Hier Neuhinzugezogene sind offener für den christlichen Glauben. Zum einen, weil sie durch Entwurzelung generell offener für Neues geworden sind. Zum anderen, weil sie unter dem Druck städtischen Lebens Unterstützung im Umgang mit moralischen, wirtschaftlichen, emotionalen und geistlichen Herausforderungen suchen.⁸ Gemeinden bieten ein unterstützendes Umfeld, eine neue geistliche Familie und haben eine befreiende Botschaft.⁹ Ein wichtiges Hindernis für urbane Mission sind die Kirchen selbst. Evangelikale Gemeinden und ihre Leiter nähren häufig nicht-urbane oder gar anti-urbane Empfindungen. Viele missionarische Ansätze wurden außerhalb der Ballungszentren entwickelt und einfach importiert, ohne dass die Barrieren zwischen Evangelium und den Städtern beiseite geräumt worden ­wären. Solche Pastoren werden es schwer haben, Stadtmenschen mit dem Evangelium zu erreichen, und es wird ihnen nicht gelingen, Christen für das Leben in einer pluralistischen, säkularen und kulturell rührigen Umgebung fit zu machen. Denn wie die Bibel in die Sprache ihrer Leser übersetzt werden muss, muss das Evangelium inkarnieren, Gestalt gewinnen, um für die Stadtbewohner lesbar zu werden. 

Bürgert die Gemeinden in der City ein!

Urbane Mission weiß um die scharfen Trennlinien zwischen ethnischen Gruppen und sozialen Schichten, Klassen, Rassen und Religionen und geht umsichtig vor bei kulturell unterschiedlich besetzten Themen. Sie hat auch den eigenen soziokulturellen Hintergrund, die eigenen Einstellungen und Gewohnheiten reflektiert. Nur so wird sie in der Lage sein, Christen eine Handhabe für einen evangeliumsgemäßen ­Lebenswandel außerhalb der Kirchenmauern zu vermitteln, wo diese mit Kunst und Theater, Markt und Geld, Stipendien und Studium, Behörden und öffentlichem Leben umzugehen haben. Im ländlichen Raum wird man sich zum Feierabend und am Wochenende eher mit seinesgleichen umgeben und Jüngerschaft und Gemeinschaft gestalten. In der Stadt jedoch ­dominiert die Arbeitswelt das Leben viel nachhaltiger. Die Mitglieder evangelikaler Gemeinden gehören in der Regel zur Mittelklasse. Sie legen Wert auf Privatsphäre, Sicherheit, Homogenität, Gemütlichkeit, Ordnung und Kontrolle. In der Stadt hingegen tummeln sich distanzierte, kauzige Typen, Sonderlinge und Leute mit weiter Toleranzspanne für das Mehrdeutige und Unsortierte. Wenn Pastoren dieses Milieu scheuen und ihre Gemeinde wie ein nicht-urbanes „Missions-Gehege“ abschotten, werden sie nicht in ihr Umfeld hineinwirken und kaum Menschen erreichen, bekehren und einbinden können. 

Errichtet neue Ökosysteme!

Um eine ganze Stadt mit dem Evangelium zu erreichen, braucht es außer rührigen Gemeinden und Erweckungen vor allem selbstständig und natürlich wachsende Netzwerke rund um die Gemeinde: 

  • Das sind entschiedene Christen mit einer dienstbaren Gesinnung in Wirtschaftsunternehmen, die ihre Kultur insgesamt und in konkreten Schritten verändern; 
  • Gemeinden und Privatiers, die bereitwillig Kultur und Kunst fördern;
  • Fromme, die ihre Arbeitswelt als Berufung betrachten;
  • Campus-Missionen, in denen junge Leiter heranreifen, die sich in Gemeinden und Netzwerken der Stadt engagieren und ihren Einfluss auch zum Wohle der Menschen am Rand der Gesellschaft geltend machen.

Sie alle bringen frischen Wind in den mühevollen, langwierigen Dienst der Jünger- und Multiplikatorenschulung und sichern die finanzielle Basis für initiative Projekte. Ein solches urbanes, missionarisches, wachstümliches und reproduktionsfähiges Ökosystem, das den konfessionellen und gesellschaftlichen Rahmen sprengt, ist unerlässlich für eine Neugründung.

Um neue Gruppen zu erreichen, braucht es auch neue Formen der Evangelisation:

  • Es müssen kompetente Fachleute herangebildet werden für die Mission unter den Armen, Muslimen, Hindus und anderen Bevölkerungsgruppen. 
  • Multiplikatoren in Unternehmen, Verwaltung und Politik, Akademie, Kunst und Medien brauchen eine stabile gemeindliche Einbindung, wo sie umsichtig geschult und für ihren Dienst im öffentlichen Leben gestärkt werden. Sie können sich vernetzen, um in ihrem beruflichen Umfeld eine neue Kultur, einen neuen Geist zu etablieren.
  • Es braucht zahlreiche Interessenvertretungen und Initiativen, wirtschaftliche und wohltätige Organisationen, die den Frieden der Stadt fördern, vor allem unter den sozial Schwachen.
  • Es braucht Gemeindenetzwerke, die christlichen Familien und Alleinstehenden langfristige Angebote in der Stadt bieten, wie etwa Schulen oder Bibelseminare.
  • Und es braucht ein dicht gewobenes Netz von Verantwortlichen in der Stadt: Theologen, Lehrer, Leiter öffentlicher und kultureller Einrichtungen, Mäzene mit Einfluss und Ressourcen, die ein­ander kennen und gemeinsam eine Vision für die ganze Stadt entwickeln.

Bleibt dran bis zum Kipppunkt!

Irgendwann verdichten sich einzelne Ereignisse und Initiativen zu einer dynamischen, eigenständigen Bewegung. Innerhalb von fünf bis sechs Jahren sollte eine Evangelisationsbewegung jenen Kipppunkt erreicht haben, wenn die Elemente ihres Ökosystems greifen und die Gemeinde ausreichend Vitalität, leitende Mitarbeiter und den Willen hat, eine neue Gemeinde zu gründen. Sie tut dies ganz aus sich und dem urbanen Ökosystem der vom Evangelium Ergriffenen heraus, ganz aus eigenen Ressourcen und ohne ein Kommando von außen. Der Leib Christi in der Stadt erhält sich selbst, bringt seine eigene Leitung hervor, sorgt für kompetente Zurüstung und organisiert den eigenen Fortbestand. 

Neben dem Kipppunkt der Gemeinde gibt es noch ­einen anderen Kipppunkt: Er ist erreicht, wenn das Ökosystem des Leibes Christi die Stadt so mit dem Evangelium durchdringt und die Zahl der vom Evangelium geformten Christen so groß wird, dass ihr Einfluss auf die zivile Sphäre, das soziale Leben, ja auf die gesamte Kultur erkennbar und anerkannt wird. Das ist der Kipppunkt der Stadt. Man weiß, dass sich der Charakter eines Stadtteils kaum ändert, wenn der Zuzug von Personen mit anderer Prägung unter 5% bleibt. Steigt deren Anteil aber auf 5-20%, wandelt sich das gesamte Umfeld. Ein Gefängnisseelsorger erzählte, dass sich die gesamte Gefängnisatmosphäre verändert, wenn sich mehr als 10% der Insassen bekehren. Das gilt auch für die Stadt! 

Wie realistisch ist es, dass die Evangeliums-Bewegung eine Stadt zu einem Kipppunkt bringt? Dass ihre Wirkung im Leben und der Kultur der Stadt sichtbar wird? Wir glauben, dass es mit Gottes Gnade gelingen kann und haben dafür viele Belege aus der Geschichte. Freilich werden wir nicht alle, wie John Wesley etwa, zu Lebzeiten sehen, wie die Saat aufgeht. Aber wir dürfen danach trachten – erwartungsvoll, geduldig und ausdauernd –, dass unsere Städte von der Liebe erfasst und für Christus gewonnen werden. Nichts Geringeres sollte urbane Mission anstreben.

© The Lausanne Movement 2010 

Anmerkungen:

1 Frank Frick: The City in Ancient Israel. Zitiert nach Harvie M. Conn and Manuel Ortiz: Urban Ministry. The Kingdom, the City, and the People of God, Downers Grove 2001, S. 83. 

2 Miroslav Volf: Soft Difference. Siehe: www.pas.rochester.edu/~tim/study/Miroslav%20Volf%201%20Peter.pdf

3 Vgl. dazu Thomas Schreiners Kommentar zum 1. u. 2. Petrusbrief, Judasbrief in: New American Commentary, Broadman, 2003, S. 124. 

4 Vgl. John R. W. Stott: The Message of Acts: The Spirit, the Church, & the World (Bible Speaks Today series), Downers Grove 1990, S. 293. 

5 Rodney Stark: The Rise of Christianity: How the Obscure, Marginal Jesus Movement Became the Dominant Religious Force in the Western World in a Few Centuries, San Francisco 1997, S. 161-162.

6 Stott: The Message of Acts, S. 292. 

7 Harvie Conn: The American City and the Evangelical Church, Baker 1994, S. 181–182. 

8 Philipp Jenkins: The Next Christendom. The Coming of Global Christianity. Revid. u. erw. Ausgabe, New York 2007. S. 93. Es sei angemerkt, dass Städte die Armen und Minderheiten anziehen, weil sie a) bessere Arbeitsmöglichkeiten bieten als der ländliche Raum und b) die Bildung von „Mini-Städten“ mit ethnischen Gruppen ermöglichen. Die Städteregierungen hingegen sind neu Hinzugezogenen gegenüber oft abweisend. 

9 Jenkins: a. a. O, S. 94.

 

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