Dran bleiben

Entschlossen vorwärts tasten

Felix Krämer – Miteinander statt gegeneinander – diese Thematik begleitet mich im Hinblick auf die Ökumene schon lange. Ob wir in der Jugend gemeinsam, evangelisch und katholisch, den Gründonnerstagabend zusammen in einer Gebetsnacht verbracht haben, ob ich mit einer überkonfessionellen internationalen Musikgruppe auf Tournee war oder bei einem christlichen Seminar, jedes Mal habe ich gemerkt, dass ich diese Zeiten für mich als sehr wertvoll empfinde. Generell fällt es Menschen wohl leichter sich in Projekten auf andere Menschen und Ansichten einzulassen, auch mal über seinen Schatten zu springen, weil ja klar ist, dass man den anderen nur eine begrenzte Zeit aushalten muss.

Als Familie gehören wir zur Christlichen Initiative ­Alzenau. Mit uns unterwegs sind Christen unterschiedlicher Konfessionen, vertreten sind beide Volkskirchen und unterschiedliche Freikirchen. Wir wollen unserer Stadt dienen, feiern gemeinsame Gottesdienste und teilen auch unser Leben im Alltag. Nicht immer sind wir uns einig. Je länger wir unterwegs sind, desto mehr Reibungspunkte tun sich auf. Manche wünschen sich mehr „klassisches“ Gemeindeleben. Auch theologische Fragen beschäftigen uns, zum Beispiel: Wie halten wir es mit Taufe und Abendmahl? Wir bemühen uns, die Wünsche eines jeden ernst zu nehmen, diskutieren miteinander und suchen gemeinsam nach Lösungen. Aber wenn Vorstellungen sich diametral entgegenstehen, ist es schwierig, Kompromisse zu finden. Oft steht dann die Frage im Raum: Was sind Gottes Gedanken für uns? Was ist sein Weg? Und dann bleibt nur ein Vorwärtstasten und der Entschluss, beieinander zu bleiben, auch wenn sich Spannungen nicht einfach auflösen lassen.

Trotz aller Unterschiede erlebe ich das Verbindende als stärker: Wir sind unterwegs zum gleichen Ziel mit dem gleichen Herrn. Bei all den Kompromissen, die ich eingehen muss, die mir auch nicht leichtfallen, glaube ich doch, dass dieses Vielfältige eine Bereicherung ist, dass dieses „gemeinsame Ringen“ mich weiterbringt, mir hilft, auch mal einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Der Wille, mein Gegenüber zu verstehen und ihn im Glauben weiterbringen zu wollen, mich auf ihn einzulassen, ohne meine Wünsche zu vergessen und zu vernachlässigen, macht unser Miteinander sehr spannend, sehr herausfordernd, mitunter auch anstrengend, aber unglaublich segensreich.

Ich arbeite gerne im Team und freue mich, wenn Bekannte und Freunde in unsere Gemeinschaft hineinwachsen. Wir haben das für uns unter den Schlagworten „belong-believe-behave“ zusammengefasst. Am Anfang steht die Zugehörigkeit. „Du darfst einfach mitmachen, wir schätzen dich und freuen uns, dass du dabei bist.“ In Beziehung miteinander kann Glaube wachsen, der sich dann auf das ganze Leben auswirkt.  Wir erleben, dass wir ein Segen sein können für viele Familien und Menschen hier in unserem Ort, wenn sie einfach dabei sein können und Gutes erleben.

Jenseits aller Unterschiede

Esther Krämer – Als die Anfrage kam, etwas zum Thema „Mitein­ander statt gegeneinander“ zu schreiben, war mein erster Gedanke, dass ich „gegeneinander“ durch „neben­einander“ ersetzen würde. Ob in der Nachbarschaft, auf Elternabenden oder in Vereinen: Ich erlebe viel häufiger ein desinteressiertes Nebeneinander als ein offenes Gegeneinander. Ich meine mich an einen Satz aus dem Deutschunterricht zu erinnern: „Sie haben ihm nichts getan – auch nichts Gutes.“ Die Schwierigkeit daran ist, dass dieses Unrecht so schwer greifbar ist.

Zum „Miteinander“ gehört für mich Verbundenheit, Zusammengehörigkeit, gegenseitige Wertschätzung und Unterstützung. Ich bin dankbar, dass ich Verbundenheit in vielen Bereichen meines Lebens erfahre. In unserem Wohnort, in der Familie, in Freundschaften mit Christen und Nichtchristen, im Hauskreis … Immer dort, wo wirkliche Begegnung stattfindet. In ganz unterschiedlicher Intensität. Besonders am Herzen liegt mir eine Krabbelgruppe der Kirchengemeinde am Ort, die ich seit 13 Jahren leite. Viele Besucher (Mamas, Papas, Omas, Pflegemütter, Tanten … mit ihren Klein­kindern) sind in dieser Zeit gekommen und auch wieder gegangen. Unsere Gruppe ist oft laut und bunt. Hier habe ich über die Jahre meine Berufung gefunden: andere mit hineinzunehmen in unsere Gemeinschaft, sie willkommen zu heißen und sie in unsere Freundschaften einzuladen.

Schwierige Erfahrungen habe ich in meiner Schulzeit gemacht. Immer gab es Cliquen, die sich von den anderen abgegrenzt haben. Meinen Platz habe ich unter denen gefunden, die in unterschiedlicher Weise „aus dem Rahmen gefallen sind“, weil sie nicht dem Mainstream entsprochen haben: zu brav, zu strebsam, uncool, zu fromm … In meinem Sozialen Jahr in der OJC habe ich erfahren, wie echtes „Miteinander“ mit Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Konfessionen gelebt werden kann. Dafür bin ich sehr dankbar. Die Sehnsucht, die dort ­erlebte Verbundenheit in aller Unterschiedlichkeit auch in meinem Umfeld Wirklichkeit werden zu lassen, ist ein starker innerer Antrieb geworden.

In der Christlichen Initiative Alzenau bringen unsere Unterschiedlichkeiten einiges an Spannungen mit sich und sind gleichzeitig unser größter Reichtum. Häufig habe ich erlebt, wie vor ­allem das gemeinsame Gebet Verbundenheit jenseits aller Unterschiede schafft. Miteinander leben, arbeiten, glauben, damit unser Leben die Weite von Gottes Herzen widerspiegelt, das ist das Zeugnis, das unsere Welt braucht.

Salzkorn 3 / 2019: Miteinander
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