Single: Zeichnung von Bruno Ritter©. Mann streckt den Arm mit Tuch in den Himmel.

Wo man mich kennt – Als Single ganz dabei

Erlebtes

Barbara Springmann – „Es müsste doch so sein, dass jeder Mensch irgendwo hingehen könnte; denn es kommen Zeiten, in denen man sich an irgendjemanden wenden muss.“ (F. Dostojewski)

Dieses Zitat mit einer Abbildung der Schlosskapelle aus der OJC hängt seit vielen Jahren über meinem Bett. Es beschreibt für mich die Sehnsucht nach Orten der Zugehörigkeit in Zeiten der Not.

Für das Singlesein habe ich mich selbst entschieden. Ich bin gerne allein. Große Menschengruppen strengen mich an und überfordern mich, ich spüre schnell die vielen Schwingungen und Stimmungen und reagiere darauf. Meine inneren und äußeren Kräfte sind deshalb begrenzt. Um mich zu entspannen brauche ich Ruhe und strukturierte Tage. Das gibt mir Sicherheit und Halt.

Die morgendliche Stille ist für mich ein Ort, wohin ich gehen kann, wenn die Anforderungen des Lebens über mir zusammenschlagen oder Sorgen mir das Herz schwermachen. Hier bespreche ich mich mit Gott und lege Ihm alles hin. „Täglich eine halbe Stunde Stille ist wichtig. Außer wenn man viel zu tun hat – dann ist eine ganze Stunde notwendig.“ Dieser Satz von Michel Quoist hat sich für mich immer wieder bewahrheitet. Das war auch in Coronazeiten so.

Ganz bewusst habe ich mich gegen die vielen angstmachenden Negativmeldungen und Bilder abgegrenzt. Sie hätten mich nur gelähmt. Als Single kann ich mir das nicht leisten. Stattdessen galt es, Deiche des Mutes zu bauen gegen die Fluten der Furcht, indem ich versucht habe, mein Leben so normal wie möglich weiterzuleben. Das Virus sollte NICHT den ersten Platz in meinem Leben bekommen. Der gehört Gott.

Freunde

Natürlich lebe ich trotz meines selbstgewählten Alleinseins nicht ohne Beziehungen. Im Gegenteil! Freunde sind für mich Geschenke, die es treu zu hegen und zu pflegen gilt. In meiner Kindheit hatte ich sie nicht. Besonders kostbar ist mir hier vor Ort eine enge Gemeinschaft mit drei weiteren Singlefrauen aus der Gemeinde. Zwei bis dreimal die Woche treffen wir uns zum gemeinsamen Essen, Reden und Laufen.

Durch die gegenseitige Vertrautheit können wir einander unverstellt begegnen, gerade auch in Zeiten der Schwere und Schwachheit. Für mich sehr kostbar und heilsam. Ich darf dabei erfahren, dass jede mal nimmt und jede mal gibt. Gerade deshalb ein wichtiger Ort der Zugehörigkeit. Mit weiteren Freunden stehe ich in regelmäßigem schriftlichem oder telefonischem Kontakt.

Chor

Ebenso wichtig ist mir das Singen in der Stuttgarter Kantorei, einem semiprofessionellen Chor mit Schwerpunkt Kirchenmusik. Oft begleiten mich die Musikstücke durch meinen Alltag, wohltuend, tröstend, aufbauend. Das Erleben, dass nach vielen Wochen des manchmal mühsamen Probens beim Konzert der Chor wie ein Organismus zu einem großen Ganzen zusammenwächst, beeindruckt nicht nur die Zuhörer, es schweißt auch uns als Chor zusammen. Auch das ein Ort der Zugehörigkeit – zum Lobe Gottes noch dazu!

Kolleginnen

Besonders schön für mich ist, dass es solche Gemeinschaft nicht nur im privaten Bereich gibt, sondern auch beruflich. Als selbständige Restauratorin habe ich mit vielen Kollegen zu tun – oft als Konkurrenz. In Alexa und Silke aber habe ich echte Partnerinnen gefunden.

Wir unterstützen einander gegenseitig bei großen Aufträgen, ohne Angst haben zu müssen, dass die eine der anderen den Platz streitig machen will. Wir kennen unsere jeweiligen Stärken und haben gelernt, sie gezielt einzusetzen.

Ich persönlich durfte in dieser Zusammenarbeit erfahren, dass die beiden auch meine schwierigen Seiten und Unzulänglichkeiten aushalten und mich trotzdem weiter schätzen. Ein Prinzip, das auf Gegenseitigkeit beruht und mich ermutigt, ich selbst zu sein – mit allen Ecken und Kanten.

Gebete

Natürlich kenne ich aber auch Zeiten der Einsamkeit und Anfechtung, in denen der Glaube zur Vertrauensprobe und Herausforderung wird: „Die Kreuzwege des Lebens geht man immer ganz allein“ hat Manfred Siebald mal gesungen.

In solchen Zeiten ist die Fürbitte der Freunde für mich überlebensnotwendig. Auch das erlebe ich dann staunend als Ort der Zugehörigkeit: Verbunden in Christus nah und fern, getragen durch die Gebete meiner Freunde. Was für ein Geschenk!

OJC

Nicht zuletzt gehört für mich als Ehemalige auch die OJC zu den Orten der Zugehörigkeit.
Bis heute erlebe ich sie als Platz zum Auftanken, neu Ausrichten und Ort seelsorgerlicher Lebenshilfe.

Es macht mich immer wieder staunen, dass ich dort auch nach 26 Jahren noch gekannt werde, freudig willkommen geheißen und aufgenommen werde. Eine zutiefst ermutigende und wohltuende Erfahrung.

All diese Orte der Zugehörigkeit wurden mir geschenkt, ich habe sie mir nicht selbst gesucht. Als „entschiedener“ Single erlebe ich darin Gottes Fürsorge für mich, denn Er weiß: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“ Seine Gefährten für mich sind einfach wunderbar!

Barbara Springmann ist seit 26 Jahren begeisterte OJC-Ehemalige und lebt in Stuttgart. Als selbständige Diplom-Restauratorin ist sie häufig in Kirchen, Klöstern, Museen und
Schlössern Baden-Württembergs im Einsatz.

Salzkorn 2 / 2022: zugehörig – Verbundenheit wagen
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