Blinde Krokodile. Ein Unternehmer steht im Wald

Erlebtes

Christoph H. – Als Firma unternehmen wir jedes Jahr etwas, um unser 12-köpfiges Leitungsteam zu stärken: gehen in ein gutes Hotel, laden einen Coach ein oder machen einen schönen Ausflug. Nicht nur, um Spaß zu haben, sondern um etwas mitzunehmen. Das Erfahrungsfeld auf Schloss Reichenberg hatte ich mit meiner Frau, die die OJC schon länger kennt, privat besucht und es genossen, Menschen zu begegnen, die mit Herzblut hinter dem stehen, was sie machen und viel in die ­Räume, aber auch in Gastfreundschaft investieren. Das war mal was anderes, und das wollten wir als Team ausprobieren, auch wenn wir nur eine vage Vorstellung davon hatten, was bei einem Teamtag auf uns zukommt.

Im Nachhinein war es mit das Beste, was wir je gemacht haben. Und weil es unserem Team wirklich gutgetan hat, sind wir auch ein zweites Mal gekommen, obwohl die Anreise lang ist.

Die Unterkunft im OJC-Gästehaus war einfacher als sonst, aber die Einheiten im Erfahrungsfeld waren sehr professionell. Für den Teamtag bei unserem zweiten Besuch erwischten wir einen herrlichen sonnigen Tag. Wir gingen in den Wald und aus den neun Teilnehmern wurden zwei Teams gebildet, die mit verbundenen Augen von zwei verschiedenen Ausgangspunkten einen Zielpunkt quer durch den Wald ansteuern mussten. Sie durften den Weg vorher abschreiten, das letzte Stück allerdings nur noch aus einem gewissen Abstand ansehen und sich einprägen. Dann mussten alle an den Startpunkt zurück und es ging los. Das war eine Situation, die keiner von uns kannte und die wir als extrem empfanden. Ich meinte zuerst, das sei gar nicht so schwer, aber als ich dann die Augen verbunden hatte, dachte ich, dass das unmöglich zu schaffen sei. Ich hatte keine Orientierung mehr. Ähnlich ging es anderen in den Teams. Wir wechselten uns mit der Leitung ab und jeder hatte die Gelegenheit, die anderen ein Stück weiter zu führen. Gemeinsam erinnerten wir uns an eingeprägte Wegmarken – und kamen so tatsächlich an. Ich habe für mich mitgenommen, dass wir ein super Team sind, dem ich total vertrauen kann, selbst wenn ich den Weg nicht sehe.

Mit Krokodilen spielen

Sehr eindrücklich war für mich die Aktion mit den „Krokodilen“.  Der Eindruck, dass die Aufgabe nicht zu lösen ist, war bei diesem Spiel noch massiver. Dabei wurde mir klar, dass ich meinen Leuten viel mehr zutrauen kann, wenn es schwierig wird. Und ich habe verstanden, dass ich ihnen meistens viel zu wenig ­zutraue, denn wir haben auch das geschafft! Es ging weiter, als ich dachte, jetzt sei es zu Ende. Das war für mich ein Schlüssel: Die Leute wachsen in herausfordernden Situationen über sich hinaus und erbringen vierfache Leistung. Hier kam unsere Unterschiedlichkeit zum Tragen, so wie eine Menge von Eigenschaften und Begabungen, die im Arbeitsprozess eher unter­gehen. Auf einmal konnte man „sehen“, was für ­Typen zum Team gehören. Das war viel intensiver als in Kursen, in denen Berater ihr Wissen oder auch hilfreiche Kommunikationstechniken vermittelten. Wir haben einander von unerwarteter Seite erlebt, übten zu vertrauen und die innere Verbundenheit zu stärken. Menschen sind das Entscheidende in einem Unternehmen. Wenn Teams so gut funktionieren, dann muss ich mir weniger Sorgen um die Zukunft des Unternehmens oder überhaupt um unsre Gesellschaft machen.

Gewinnen und verstehen

Im Wald waren wir in zwei Teams aufgeteilt. Da ergab sich ein Wettbewerb zwischen den Gruppen, die – wie ich fand – eine gute, freudige Dynamik in die Sache brachte und eine massive Motivation, sich ins Zeug zu legen. Das sage ich als Mann. Männer wollen so etwas, die wollen sich messen, die wollen gewinnen, das macht riesengroßen Spaß.

Danach kam die Reflexionsphase. Da saßen wir am Waldrand in der Sonne und haben aufeinander gehört: Was ist da abgegangen? Was für Erkenntnisse können wir daraus ziehen? Was haben die Einzelnen erlebt und was bedeutet das für das Team? Auf dem Weg ­zurück zum Schloss sollten wir je zu zweit konkret darüber reden, was wir in unser Unternehmen davon einbringen können. Dieser eine Teil war für mich, ehrlich gesagt, weniger hilfreich. Ich war noch total geflasht und hätte das Erlebte erst für mich selbst verarbeiten und einsortieren müssen, bevor ich es für andere in Worte fasse.

Im Vorgespräch mit den Erfahrungsfeld-Mitarbeitern hatten wir darüber geredet, dass es uns um das Team geht und der Glaube an Gott nicht das explizite Thema ist, und so war es denn auch. Als christliche Gemeinschaft öffnet ihr das Erfahrungsfeld für Gruppen von nah und fern, die gerne kommen, weil es sie stärkt, auch wenn sie nur ahnen, woran es liegt. Hat Gott die Menschen nicht so erdacht, dass es ihnen guttut, wenn sie gemeinsam hinbekommen, was allen dient? Ihr redet nicht ständig darüber, ihr macht das einfach. Und die Erfahrung zeigt, dass das, was wir tun, viel lauter redet als das, was wir sagen. Genau das habe ich bei euch erlebt. Ihr habt eure Botschaft in Taten kommuniziert, weniger in Worten, und das finde ich sehr gut.

Zurück in große Verantwortung

Als Geschäftsführer trage ich viel Verantwortung, aber ich trage sie gern. Vor uns liegen schwierige Zeiten, die Wirtschaft in Deutschland steuert auf eine Krise zu. Viele Firmen um uns beschäftigen Kurzarbeiter oder entlassen Mitarbeiter. Da sind wir als Fensterbauer durch die Klimaschutzdebatte noch relativ gut dabei. Angesichts der schwer absehbaren Entwicklungen und ihrer Auswirkungen ist es sehr spannend, plötzlich im Wald zu stehen und Spiele zu machen. Oder in eurem Gästehaus Tannenhof zu logieren, wenn wir sonst in Viersternehotels untergebracht sind. Als jemand, der in die Zukunft denkt und plant, bin ich ganz schön gefordert, wenn ich mit verbundenen Augen orientierungslos im Wald stehe und nicht weiß, wo ich hinlaufen soll. Dann ist es gut, wenn mich ein anderer an die Hand nimmt. Auch diese Erfahrung nehme ich mit.

Salzkorn 2 / 2020: ErFAHRE! ErKENNE! ErLEBE! Ganzheitlich lernen auf Schloss Reichenberg
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