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Haben wir noch was zu sagen?

Wir Menschen sehnen uns nach Konsens und Bestätigung und scheuen es, in Frage gestellt zu werden. Wittern wir Widerspruch, gehen wir instinktiv auf Abstand. Solange der Unterschied unausgesprochen bleibt, ist er einigermaßen zu ertragen. Ist er aber offen benannt, stellt sich Irritation ein. Es ist eine kostbare Errungenschaft unserer Zivilisation, konstruktiv mit Verschiedenheit umgehen zu können. Sie ist die Grundlage des demokratischen Miteinanders, in der unterschiedliche Ansichten ausgesprochen werden und Gehör finden.

Editorial

Wahre Vielfalt schmerzt.
Der Demokrat ist Schmerzkünstler.
Er betrachtet Schmerzen nicht als Krankheit,
sondern als Lebenszeichen einer Gesellschaft,
in der es höhere Werte gibt als kleinkarierte Rechthaberei:
wahre Freiheit, wahre Vielfalt und wahre Toleranz.

– Volker Kitz

Liebe Freunde

jeder vierte Deutsche glaubte laut einer Untersuchung des Instituts für Freiheitsforschung im Jahr 2017, mit seiner politischen Meinung sollte er „besser vorsichtig sein“.1 Es besteht offenbar die Angst, sich bei bestimmten Themen den Mund zu verbrennen, wie etwa bei den Themen Islam, Flüchtlingskrise, Homosexualität, Abtreibung oder Klimawandel. Dabei wird die Freiheit, seine Meinung zu äußern, in keinem anderen Land so nachdrücklich geschützt wie bei uns: als höchstes Gut, „ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie sich als wahr oder unwahr erweisen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational sind, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werden.“2 – so das Bundesverfassungsgericht.

Wir Menschen sehnen uns nach Konsens und Bestätigung und scheuen es, in Frage gestellt zu werden. Wittern wir Widerspruch, gehen wir instinktiv auf Abstand. Solange der Unterschied unausgesprochen bleibt, ist er einigermaßen zu ertragen. Ist er aber offen benannt, stellt sich Irritation ein. Es ist eine kostbare Errungenschaft unserer Zivilisation, konstruktiv mit Verschiedenheit umgehen zu können. Sie ist die Grundlage des demokratischen Miteinanders, in der unterschiedliche Ansichten ausgesprochen werden und Gehör finden.

Unerhört, was wir da hören

Diese gesunde, weil vitale Streitkultur weicht zunehmend einer Tendenz, vor der der schwedische Autor Mats Tunehag warnt: „Vom grundlegenden Recht auf freie Meinungsäußerung hin zu einem grundlegenden Recht, etwas nicht hören zu müssen.“ Das Kriterium für verletzende Rede ist nicht mehr eine objektiv nachweisbare Beleidigung oder Diskriminierung durch den Sprecher, sondern das Empfinden des Hörers, das, was er subjektiv als kränkend oder ausgrenzend wahrnehmen könnte. Die Betonung liegt auf dem Konjunktiv „könnte“. Das macht die Auseinandersetzung kompliziert, unberechenbar und schwer nachvollziehbar.

Den Sprechenden dingfest machen

Wenn eine Gesellschaft es verlernt, abweichende Überzeugungen auszuhalten, wird sie allen dem Mainstream entgegenstehenden Meinungen, Inhalten, Personen oder Institutionen gegenüber zunehmend intoleranter. Denn es ist mühselig, ja schmerzhaft, inhaltliche Unterschiede, gar Widersprüche auszuhalten. Viel leichter ist es, Spannungen aufzulösen, indem man den Gegner abstempelt, isoliert oder gar eliminiert. Johannes der Täufer war so einer, der sagte, was er glaubte, und er zahlte einen hohen Preis dafür (S. 14). Wie viele christliche Werke erleben auch wir eine zunehmende Unduldsamkeit gegenüber Positionen, die sich nicht an gängigen, sondern an biblischen Werten orientieren. Wie können wir uns in solchen Situationen konstruktiv verhalten? (S. 12).

Augen zu und durch

Jede Epoche hat ihr ideologisches Gefüge, in dem sich Christen positionieren müssen. Heute wird der christliche Glaube zunehmend von einer massiven Kombination aus Säkularisierung, Pluralismus und dem lähmenden Diktat einer „political correctness“ in die Privatsphäre gedrängt, nach der Devise: Auf eure Wahrheit pfeifen wir. Heilsangebote gibt es wie Sand am Meer, eure Ethik stammt aus dem vorigen Jahrtausend. Es liegt an uns, ob wir unsere Stimme dennoch einbringen oder mit unserer unbequemen, unkonventionellen Meinung lieber hinterm Berg halten, nach dem Motto: Augen zu und durch. Hoffentlich trifft es uns nicht so hart.

Fröhlich bleiben

In Zeiten wie diesen sind wir zutiefst dankbar für unser Jahreswort, das die OJC am Anfang des Jahres empfängt: Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch (1 Thess 5,16-18). Es hilft, in der Bedrängnis Gottes Wegweisung zu suchen und auch dankbar anzunehmen, was schwerfällt, ohne dabei in eine Opferrolle zu verfallen.

Alles Denken „gefangennehmen“

Paulus beschreibt den befreienden Akt, der das Denken aus der ideologischen Verengung löst. Er bezeichnet das paradoxerweise als ein „gefangennehmen“ in den Gehorsam Christi (2 Kor 10,5). Denn erst durch die „Freiheit, zu der Christus uns befreit“, erhält das uralte Trachten des Menschen nach Erkenntnis eine neue Würde und Weite, die die Freiheit von Wissen und Gewissen mit einschließt. Die darin enthaltene Wertschätzung hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich in der abendländischen Kultur Wissenschaft und Lehre von kirchlicher und politischer Bevormundung emanzipieren konnten. Welche Denkschablonen und politisch genormten Vorgaben diese Freiheit heute wieder einzuengen drohen, schildert der Philosoph und Universitätsprofessor Thomas S. Hoffmann auf eindrückliche Weise (S. 32).

Miteinander statt gegeneinander

Seit über 50 Jahren üben wir uns im gemeinsamen Leben und ringen darum, unseren Auftrag in der Einheit zu leben, zu der Jesus uns ruft. Das ist in der wachsenden Gemeinschaft eine stetig mitwachsende Herausforderung: die Komplexität unseres Auftrags hat zugenommen, die konfessionelle Bandbreite ist weiter, der Generationenunterschied größer geworden. Außerdem sind wir international aufgestellt und entsprechend geprägt: dänisch, ungarisch, südafrikanisch, argentinisch, libanesisch, schwäbisch, sächsisch, vorpommersch – um nur eine Auswahl zu nennen. Meinungsstark sind wir ohnehin alle. Wie bleibt man da beieinander? Laden Sie uns doch ein und lassen Sie sich berichten! Wir kommen gern und deklinieren es praktisch, erlebnisorientiert und im Dialog mit Ihnen durch (S. 26).

Lebendiger Auftrag braucht vitale Träger

Voll Dankbarkeit blicken wir auf die vielen Jahre seit den Anfängen, in denen Sie uns als Freunde die Treue gehalten haben! Wir haben uns bewusst in die Abhängigkeit von Spenden gestellt, um dem OJC-Auftrag hauptamtlich nachkommen zu können und Hand und Kopf freizuhaben für unseren Dienst am Reich Gottes. Der Generationenwechsel im Mitarbeiterstab ist gelungen. Ob auch der Generationenwechsel der Freunde und Unterstützer gelingt? Sie können uns auf vielfältige Weise dabei unterstützen:

  1. Die Botschaft unter die Leute bringen! Bestellen Sie weitere Exemplare des Salzkorn kostenfrei nach und geben Sie es in Ihrem Bekanntenkreis weiter!
  2. Uns einladen – wir kommen! Mit dem OJC unterwegs-Angebot.
  3. Dauerauftrag einrichten! Wenn Sie unsere Arbeit schätzen und von den Angeboten und Publikationen (Salzkorn, Brennpunkt Seelsorge, Bulletin) profitieren, können Sie sie finanziell mittragen. Jeder Betrag hilft!

Jedes Jahr ziehen wir zum OJC-Jahreswort noch einen Vers zur Ermutigung hinzu. Im Jahr 2019 schließen wir Sie, unsere Freunde, gerne mit ein in die Verheißung: Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. In diesem Glauben haben die Alten Gottes Zeugnis empfangen (Hebr 11,1-2).


  1. Ulrike Ackermann (Hg.): Freiheitsindex Deutschland 2017. Humanities Online, 2017, S. 20. 

  2. https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/06/rk20180622_1bvr208315.html 

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