Kreuz gewinnt. Predigt beim Pokerseminar „All-In“

Jonas Großmann

Wir haben dieses Wochenende (im Januar 2023) ein Männer-Pokerseminar veranstaltet. Einige von uns sind richtige Pokerprofis. Andere halten Poker vielleicht für dieses Glücksspiel, das nicht so richtig zum Christsein passt.

Ich kann alle beruhigen: Poker ist weniger Glücksspiel als Mensch-ärgere-dich-Nicht oder Rommé.

Auch wenn Pokern ein Suchtpotenzial und eine Gefährdung in sich birgt, zählt es offiziell zu den Geschicklichkeits- und Strategiespielen. Uns geht es dabei um Mathematik und Wahrscheinlichkeit, um Menschenkenntnis, Selbstbeherrschung, Geduld und Mut. Wir spielen nie um Geld. Neben Pokertheorie, Strategievertiefung und Spielpraxis haben wir natürlich auch gespielt – und konnten manches auf unseren Glauben, auf unser Leben übertragen.

Kleine Quizfrage: Was ist die stärkste Starthand im Poker? Richtig, zwei Asse! Diese Starthand kommt nur alle 221 Hände vor, ziemlich selten. Ein Ass gibt es ja auch beim Tennis: Das ist eine Angabe, die sofort ein Punkt ist, weil der Gegner den Ball gar nicht bekommt. So ist das Ass sprichwörtlich geworden: Wenn jemand eine herausragende Leistung vollbringt, in Mathe oder beim Rudern, ist er ein Ass!

Wo kommt dieses komische Wort eigentlich her? Ursprünglich war es eine römische Gewichtseinheit. Im Französischen wurde es dann, was uns heute wichtig ist: Das Ass steht wörtlich für das Ganze, die Einheit. Für Eins, unzerteilbar, einfach universal, vollkommen. Das Ass steht für den Anfang und das Ende!

Wer im Seminar aufgepasst hat: Bei der Straße (Straight) beim Pokern kann das Ass das Niedrigste sein, unter der Zwei, also die Eins, oder das Höchste, höher als der König. Das Ass ist Anfang und Ende, das Ganze als Einheit.

Heute ist der letzte Sonntag nach Epiphanias, danach beginnt die Vorfastenzeit. Heute wird nochmals alles zusammengenommen: Im Evangelium (Mt 17) wird erzählt, wie Jesus Christus in seiner Herrlichkeit erscheint. Das Licht, die Göttlichkeit bricht herein, dass kaum Worte dafür zu finden sind.

Einer der für den heutigen Sonntag vorgeschlagenen Predigttexte ist Offenbarung 1. Johannes ist auf Patmos. Auch er sieht Jesus Christus auf wunderbarste Weise. Er findet kaum Worte, das zu beschreiben. Da heißt es Augen wie Feuerflammen und aus seinem Mund ein scharfes, zweischneidiges Schwert. Und sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne scheint in ihrer Macht. Als ich (Johannes) ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot; und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach zu mir: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle. (Offb 1,16-18)

Was für eine Kraft darin steckt! Dazu wäre viel zu sagen, ich beschränke mich auf – das Ass! Das Erste, das Letzte, das Ganze, das Vollkommene! Das leuchtend Verklärte! Nur mit ihm hast du die stärkste Starthand! Jesus Christus ist das Ass! Das Herz Ass voller Liebe für dich! Das verändert alles in deinem Lebensblatt.

Dieses Ass schauen wir uns genauer an. Was lernen wir von Jesus, dieser besten Karte?

Worauf es beim Pokern ankommt, habe ich tausendmal erklärt – nicht so viel spielen, oft die Karten wegschmeißen und geduldig auf gute Starthände warten. Beobachten und wachsam sein, wann ist der richtige Moment? Aber auch nicht zu passiv spielen, mutig sein, auch aggressiv (bester Spielertyp tight-aggressive), Entscheidungen treffen, erhöhen, investieren, dranbleiben! Der richtige Zeitpunkt ist entscheidend. Manchmal sind es nur Sekunden, die über Gewinnen und Verlieren entscheiden.

Aber so ist es nicht nur beim Poker, sondern auch in entscheidenden Momenten im Leben! So ist es auch bei unserem Ass Jesus! Weihnachten war so ein entscheidender Moment. Der Gottessohn wurde Mensch. Und dann hat er sein ganzes Leben wachsam geschaut, geduldig ertragen und getragen. Er hat gewartet. Immer wieder hören wir in den Evangelien: Meine Zeit ist noch nicht gekommen. Meine Stunde ist noch nicht da. Wie schwer muss das manchmal gewesen sein. Jesus hätte ja von Anfang an sagen können: „Und jetzt räume ich hier auf!“ Aber nein, alles zu seiner Zeit. Aber wenn es dran war, hat er mutig Entscheidungen getroffen und gehandelt!

Im Griechischen, der Sprache des NT, nennen wir das Kairos. Diesen günstigen Moment. Chronos ist die Zeit an sich, die vergeht, Stunden, Tage, Monate, Jahre. Kairos, das ist der besondere Zeitpunkt, die Gelegenheit, die Gott schenkt. Jesus ist ein Kairos-Ass, ein Experte, wenn es darum geht, den richtigen Moment zu erwischen! Er hatte 30 Jahre im Verborgenen gelebt. Und dann ging es los. Seine ersten öffentlichen Worte waren: Die Zeit ist erfüllt! (Mk 1,15) – Und was steht dort? Kairos! Jetzt geht‘s los! Jetzt ist die Zeit erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Kehrt um und glaubt an das Evangelium! Jetzt ist Gottes Zeit da. Die Karten sind gut, die Einsätze gehen hoch, der Topf wächst, jetzt wird’s wichtig!

In Lukas 4, der Antrittsrede Jesu in der Synagoge, liest er aus Jesaja 61: Der Geist des Herrn ruht auf mir; der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, den Armen eine gute Nachricht zu bringen, den Gefangenen die Entlassung zu verkünden, den Blinden das Augenlicht zu schenken, die Zerschlagenen in Freiheit zu setzen und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen. Jesus liest das, und ich stelle mir das wunderbar vor: Jesus schließt das Buch, schaut in die Runde, wartet einen Moment, es ist mucksmäuschenstill, und hält eine Predigt. Eine sehr kurze Predigt: Heute hat sich dieses Schriftwort erfüllt! Heute, jetzt, hier. Gott bricht herein! Der Lebendige, der Ewige ins Irdische, ins Zeitliche! Der Himmel steht offen. Und die Frage ist: Nimmst du es wahr? Bist du dabei?

Jesus erscheint in seiner Herrlichkeit. Weihnachten, in der Verklärung, am Kreuz und in der Auferstehung, in der Offenbarung. Jesus erscheint heute. Immer wieder und oft, kaum mit Worten zu beschreiben. Der Kairos, der Moment – Gott ist hier! Der Lebendige! Und wenn dir das klar wird, dann haut es dich aus den Socken. Gott legt seinen Arm um dich und sagt: „Hab keine Angst! Das ist größer als du auszuhalten vermagst, aber hab keine Angst! Es ist alles gut!“

Wie sieht es aus bei dir? Nimmst du diese Gottes-Hereinbrüche wahr? Diese entscheidenden Momente, wo es darauf ankommt, wo sich Türen auftun (oder nicht), wo Chancen und Möglichkeiten da sind (oder nicht), wo es gilt, eine Entscheidung zu treffen? Wartest du auf diese guten Karten? Bist du geduldig? Bist du wachsam für das Wirken von Jesus in deinem Leben? Hältst du Ausschau, wenn der Himmel sich öffnet? Bist du dann dabei? Auch wenn du es nicht unter Kontrolle hast?

Der alte Simeon im Tempel (nach Lukas 2) wartete sein ganzes Leben auf seinen Herrn und Heiland. Er war den ganzen Tag im Tempel, fastete und betete, wartete und schaute, vom Heiligen Geist geführt. Und ist da, als es darauf ankommt! Als Gott selbst hereinbricht. Das süße kleine Weihnachtsbaby kommt in den Tempel, aber Simeon weiß: Das ist der lebendige Sohn Gottes, der Retter der ganzen Welt! Hier passiert etwas! Mit menschlichen Augen ganz unscheinbar. Aber meine Augen haben den Heiland gesehen. … Nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren … ein Licht zu erleuchten die Heiden.

Auch der reiche Jüngling (Mk 10) hat diesen Moment in seinem Leben, der alles verändern kann. Was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen? – Halte die Gebote! – Das tue ich! Und Jesus sagt weiter: Eins fehlt dir noch, verkaufe alles und folge mir nach! Das ist sein Moment, der wunde Punkt! Und was macht er? Da ging er traurig weg. Er verpasst den Kairos.

Wie sieht es bei mir aus? Bin ich im richtigen Moment da? Wann bin ich überhaupt mal richtig da? Jetzt – im Moment? Gott kann ja immer nur im Moment hereinbrechen. Er kann mir nicht im Gestern oder im Morgen begegnen. Da bin ich ja noch nicht bzw. nicht mehr. Die Stille ist der Weg, um da sein zu können. Also, nimm dir Zeit, um still zu werden: Mach alles andere aus. Halte es aus, dass nichts ist. Dann erfährst du Ihn nah. Gar nicht so einfach. Der Kairos ist immer nur jetzt. Die Möglichkeit, das Leben zu gewinnen, ist jetzt. Aber auch die Gefahr, das Eigentliche zu verpassen. Ja, natürlich, wir sind eingespannt in Verpflichtungen und Termine, haben Familie, haben Hektik, haben Konsum, haben Fernsehen, haben Handy und oft das Gefühl, keine Zeit zu haben. Aber irgendwann ist das Spiel hier vorbei. Lass dich auf diesen Augenblick ein! Öffne deine Hände, wenn Gottes Liebe regnet; anstatt vor dir und vor Gott davonzulaufen in eine Zeit hinein, die einfach nur verrinnt. Paulus markiert es ganz fett für uns: Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils (2 Kor 6,2).

Die Gnade und das Heil. Das Gute, die Hoffnung, die Vergebung, das Gelingende – es ist alles da. Ermöglicht hat das allein Jesus, der Leuchtende, der Erleuchtete, der durch die Zeiten bricht. Letztlich spitzt sich seine ganze irdische Lebenszeit auf diesen Kairos, auf diesen einen Moment der Weltgeschichte zu! Das entscheidende Ereignis des Universums: Golgatha. Was sagt Jesus vor der Gefangennahme? Jetzt ist die Stunde gekommen (Mt 26,45; Joh 17,1).

Und: Fürchte dich nicht, ich bin da! Der Ganze und Vollkommene, der Lebendige, das Leben selbst. Ich war tot, aber ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit. Ich habe die Schlüssel des Todes und der Hölle. (Off 1,18) Jesus hatte alles gegeben, scheinbar alles verloren und letztlich doch alles gewonnen. Welche Macht und welche Kraft, welche Liebe! Für dich, für mich, für uns.

Es ist schon einige Zeit her – Chronos –, aber der Kairos bleibt unvergessen. Meine Frau hat einmal zu Studienzeiten mir zuliebe mit mir gepokert. Nach einiger Zeit setzte sie zu Beginn einer Runde (Preflop) alles Geld ein. Sie geht All-In. Ich habe Bube und Acht, beides Blatt (suited). Ich denke: „Ich gehe einfach mit, es ist ja eh die letzte Runde – es geht um alles!“ Was sie wohl hat? Sie deckt ihre Karten auf. Die erste Karte ist auch ein Bube; in Kreuz. Jetzt wird es spannend: Wer hat den besseren Kicker, die Beikarte? Und es ist eine Karo Neun. Wir haben beide noch nichts, aber sie gewinnt immer, außer bei einer Acht. Dann werden die Gemeinschaftskarten aufgedeckt. Es kommen ja noch fünf Karten für uns gemeinsam in die Mitte. Zunächst die ersten drei Karten, der Flop. Nichts dabei. Auch nach der vierten Karte, dem River, verändert sich die Lage nicht. Es fehlt nur noch die letzte und entscheidende Karte. Die Sache ist gelaufen. Meine Frau führt. Die statistische Wahrscheinlichkeit (Outs und Odds) sprechen gegen mich. Dann kommt diese letzte Karte und es ist eine Acht! Ich habe ein Pärchen und damit gewonnen – dachte ich mir so.

Aber Stopp, es ist eine Kreuz Acht. Drei andere Kreuzkarten liegen schon, das hatte ich übersehen. Meine Frau hatte ja schon ein Kreuz auf der Hand. Sie hat fünf Karten von derselben Farbe – das ist ein Flush, viel besser als mein Achter-Paar. Klarer Sieg. Für sie. Ich habe verloren. Ich habe mich richtig geärgert. Man denkt, man hat es, und auf einmal fällt alles wie ein Kartenhaus zusammen. Ich habe von keiner anderen Pokerpartie mehr gelernt als damals vor 15 Jahren. Bei all unseren Niederlagen im Leben, bei aller Schwachheit, bei allen Problemen in unserer Gesellschaft, bei aller Last, die du zu tragen hast, bei allem Dunkel in dieser Welt – das Kreuz gewinnt!

Jesus ist nicht nur das Herz-Ass, der Auferstandene voller Liebe, er ist auch der Kreuzbube. Das ist er. Der macht wirklich den Unterschied: im Spiel, im Leben und auch im Sterben. Jesus hat alles gegeben. Er ist All-In gegangen, sein ganzes Leben, aber er hat sich nicht verpokert. Er hat am Kreuz den Sieg geholt. Jesus Christus, der Erleuchtete, die Herrlichkeit, das Ass, ist aufs Ganze gegangen, zum richtigen Moment volle Hingabe für dich!

Mein Tipp: Nimm diese beiden Jesuskarten in dein Leben; das Herz-Ass und den Kreuzbuben! Was kann dann noch passieren? Nun bist du gefragt. Jesus sagt: „Jetzt ist die Zeit gekommen: Wann gehst du All-In? Folge mir nach!“

Amen.

Jonas Großmann (OJC) ist evangelischer Pfarrer. Er lebt mit seiner Familie im Haus der Hoffnung in Greifswald.

Salzkorn 2 / 2023: Jesus. Und wem folgst du?
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