Malerei von Bruno Ritter©. Menschen unterhalten sich bei Wein.

Passt’s? – Zugänge zur OJC-Gemeinschaft

Hanne Dangmann – Jeder von uns langjährigen Mitgliedern ist auf sehr unterschiedlichen Wegen in die Gemeinschaft gekommen! Und auch aktuell sind es ganz verschiedene Zugänge zur OJC: Manchmal gibt es eine Stellenausschreibung, oder es erreicht uns eine Initiativ-Bewerbung. Manchmal fragt jemand für eine längere Auszeit an und entdeckt dann die Freude am gemeinsamen Leben.

Orientierungsjahr

Wir nennen das erste Jahr in der OJC „Orientierungsjahr“. Man lernt die Verbindlichkeiten im gemeinsamen Leben kennen, unsere „Liturgie des Alltags“: die tägliche Stille Zeit, den Austausch, Mittagsgebet, Abendmahl am Freitag, Bibelstudien und Bibel teilen am Mittwoch, Gottesdienste. Ebenfalls den Gang durch das Kirchenjahr, die Gestaltung des Advents, die Passionszeit, die Karwoche mit morgendlicher gemeinsamer Andacht, Ostern, Pfingsten und Silvester.

Durch das Eingebundensein in eine Hausgemeinschaft und durch regelmäßige Gespräche gibt es viele Möglichkeiten nachzufragen, dem auf den Grund zu gehen, warum so und nicht anders gelebt wird. Wir laden dazu ein, die Geschichte von Tradition und Wiederholung als Schatz zu heben.

Im Priorat bieten wir nach einigen Wochen „Basic-Abende“ an: die Neuen werden eingeladen und es gibt Raum für Rückfragen, aber auch um ins Gespräch zu kommen über Stille Zeit, Austausch und andere Themen, die sie mitbringen. Mit den neuen Gefährten kommen neue Fragen, Ideen, Prägungen in die langjährig tradierte OJC-Lebenskultur!

Darin liegt für alle Seiten eine Bereicherung – und Herausforderung: Jeder bringt seinen eigenen geistlichen, konfessionellen Hintergrund mit, mehrjährige Berufserfahrung, einen gesellschaftlichen Kontext, in dem er sich bisher bewegt hat, individuelle Vorlieben.

Diese Vielstimmigkeit von Fragen und Anregungen erweitert den Blickwinkel und wir werben darum, sich auf alles erst einmal einzulassen und ein ganzes erstes Jahr mitzuerleben. Nicht selten erleben wir, dass sich die Liturgie unseres Alltags heilsam und bereichernd erschließt im Gehen, im Erleben.

Das Leben in Gemeinschaft birgt noch eine weitere Dimension. Die Nähe der Gefährten, ihre Präsenz im Alltag, beim Arbeiten, in der Freizeit löst auch ungeahnte und ungewünschte innere Reaktionen aus. Man lernt sich in einer neuen Weise kennen, die nicht nur angenehm ist.

Vielleicht tauchen längst überwunden gehoffte Beziehungsmuster aus der Herkunftsfamilie auf, oder überraschende Sehnsucht nach Freundschaft und Nähe, Selbstzweifel, die im routiniert gestalteten Berufsalltag nie aufgetaucht sind.

Deshalb ist ein Leben in Gemeinschaft auch immer eine Schule der Selbsterkenntnis und Reifung! Das Paul-Schütz-Wort lernen alle kennen und spüren, die in die Gemeinschaft kommen: „Der Nächste steht uns in Wahrheit nicht im Weg, sondern er steht 
am Rand des Abgrunds als Schutzengel, der uns hindert, aus den Realitäten des Lebens hinaus in die Illusion zu treiben.“ Hier wird das Einüben der täglichen Zeit der Stille am Morgen und der Austausch mit den Gefährten zum wesentlichen Ankerpunkt im aufregenden ersten 
Jahr!

Assoziiertenkurs

Es gibt dann ungefähr nach 12 Monaten ein weiteres Gespräch mit dem Priorat und wir schauen zusammen, wie es weitergehen könnte. Wenn es passt, laden wir zum nächsten Schritt der Annäherung, zum Assoziierten-Kurs: Hier kann man auf einem gemeinsamen Weg prüfen, ob die eigene Berufung in diese Gemeinschaft, an diesen Ort passt.

Ganz konkret, ob der OJC-Auftrag, die Spiritualität und Lebensform zur eigenen Sendung wird. Dieser Assoziierten-Kurs bedeutet ebenfalls die Einladung, sich den sehr persönlichen und dringlichen Lebensfragen zu stellen.

Dafür bekommt jeder einen Mentor, eine Mentorin als Gesprächsbegleitung an die Seite gestellt. Zum Team, das mit den Assoziierten unterwegs ist, gehören drei langjährige Mitglieder der Gemeinschaft.

In thematischen Einheiten, biblischen Bezügen und Texten von Bonhoeffer und anderen inspirierenden Quellen werden die Wurzeln der Gemeinschaft, der Auftrag und die gewachsene Spiritualität für die jungen Gefährten entfaltet.

Diese Themen berühren immer auch die persönlichen Fragen des Lebens: Wofür lebe ich? Was ist meine persönliche Berufung? Welcher Sehnsucht gebe ich Raum? Was hindert meine Lebensenergie? Wie treffe ich Entscheidungen? Wo ist mein Platz?

Deshalb laden wir auch die zum Assoziierten-Kurs ein, die nicht in der Kommunität bleiben möchten. Denn sie profitieren und reifen ebenfalls an diesen Themen und lernen das Wesen und den inneren Kern und Auftrag der OJC-Gemeinschaft kennen.

Die Assoziierten-Jahre sind Prüfungszeit und dauern in der Regel 3 – 6 Jahre. Die Frage lautet: „Wo kann ich dem Reich Gottes am besten und von ganzem Herzen dienen?“ (Mt 6,33) – Macht mich das Leben in der Gemeinschaft „frei, stark, mündig“? (Bonhoeffer, Gemeinsames Leben) – Wächst die Liebe zu Gott und den Menschen an diesem Ort? Nur dann lädt der Prior zum verbindlichen Bleiben in die Gemeinschaft ein und die Gefährten bestätigen diesen neuen Bund.

„Du entscheidest Dich für die Gemeinschaft, so wie sie ist. Du bist bereit, sie zu tragen und mitzugestalten. Wenn die Entscheidung für beide Seiten reif ist, wird sie von der Gemeinschaft bestätigt. Der letzte Schritt bleibt ein Springen im Vertrauen auf Gott. Das Leben wächst bei Ja und Nein.” Aus der Grammatik der Gemeinschaft [88].

Hanne Dangmann (OJC) leitete von 1994 bis 2001 mit ihrem Mann die Jahresmannschaft im Quellhaus und seit 2013 die in der Scheffelstraße. Sie ist Mitglied im OJC-Priorat.

Salzkorn 2 / 2022: zugehörig – Verbundenheit wagen
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