Meine Beziehungslandkarte

Ein Jugendreferent on tour

Interview mit Christoph Schneider, ejw

Maren Brenner: Christoph, das Thema dieses Salzkorn ist „Jesus begegnen“. Was bedeutet das für dich?

Christoph Schneider: Ich liebe es einfach, nah bei Gott und nah bei den Menschen zu sein. Beziehungen sind der größte Schatz in meinem Leben, in Begegnung liegt mega viel Lebenskraft. Jesus verheißt seinen Jüngern, dass sie Leben in Fülle haben werden, wenn sie ihm folgen (Joh 10). Mit diesem Jesus unterwegs zu sein gibt meinem Leben Sinn und Erfüllung.

Und wie begegnest du diesem Jesus?

Wenn ich auf Jesus schaue, sehe ich, wie Gott ist, weil er sich in ihm gezeigt hat. Jesus begegnet mir in meinen Mitmenschen. Wenn ich anderen Gutes tue, begegne ich Jesus. Ein Bibelvers sagt, dass die Welt die Liebeskraft von Jesus an der Liebe der Nachfolger untereinander erkennt. Ich bin im Alltag mit Menschen in Kleingruppen unterwegs, in denen wir uns ermutigen und anspornen, im Glauben und im Leben zu wachsen.

Und Jesus begegnet mir in mir. Im Galaterbrief heißt es: Nicht mehr ich bin es, der lebt, nein, Christus lebt in mir (Gal. 2,20, NGÜ). Jesus begegnet mir in der Stille, im Hinhören. Was mir hilft, sind Beten und Bibellesen. Nach Möglichkeit starte ich in den Tag mit einer persönlichen Gebets- und Bibellesezeit.

Du hast Kleingruppen erwähnt. Das hat auch mit deiner Arbeit als Jugendreferent zu tun. Was machst du genau?

Meine Sehnsucht ist, dass jeder Jugendliche die Möglichkeit hat, Jesus Christus kennenzulernen und ihm nachzufolgen. Ich habe einen Herzschlag für Teenager und Heranwachsende. Mein Ziel ist, ihnen ins Leben und zu einem erfüllten Leben wie in Johannes 10 zu helfen.

Was für ein geniales mission statement!

Konkret arbeite ich als Jugendreferent beim Evang. Jugendwerk in Württemberg (ejw) und bin zuständig für die Partnerschaft mit einer internationalen Missionsorganisation namens Young Life1. Für diese Beziehungsarbeit sind u.a. Freizeiterlebnisse elementar, denn Teenager suchen Abenteuer. In der Hauptsache trainiere, befähige und motiviere ich Menschen, die mit Jugendlichen in Kontakt kommen, Beziehung mit ihnen leben und ihnen die frohe Botschaft von Jesus weitererzählen wollen.

Was ist das Besondere an Young Life?

Young Life geht in die Lebenswelt von Jugendlichen, also dorthin, wo Jugendliche rumhängen, und wartet nicht, bis sie in die Jugendgruppe oder Gemeinde kommen. Weil wir glauben, dass Gott in Jesus in unsere Welt hineingekommen ist und mit uns Beziehung haben will, sind wir überzeugt, dass Beziehungen den Jugendlichen Sinn und ein erfülltes Leben geben.

Bei Young Life erkenne ich eine Parallele zu FreshX (neue Ausdrucksformen von Kirche). Beide Bewegungen gehen dorthin, wo die Leute sind.

Jesus ist zu den Leuten gegangen und hat ihnen zugehört, aber er hatte, bildlich gesprochen, immer auch ein Ohr in Richtung Himmel. Es ist verheißungsvoll, das genauso zu machen, egal unter welchem Namen. Dieses doppelte Hinhören ist wichtig. Die Situation eines Menschen zu kennen, seine Not, seine Freude, und dann zu fragen, wie Gott in dieses Leben hineinsprechen könnte. Ich gehe davon aus, dass Gott auch durch uns spricht, durch dich und mich, und dass im Aussprechen von Gottes Worten in Menschen hinein eine Kraft liegt, die sie berührt und für diesen Jesus begeistert.

Du hast als Jugendreferent aber nicht nur mit Jugendlichen zu tun (sonst hätten wir uns wohl kaum kennengelernt).

In meinem Arbeitsumfeld habe ich zum größten Teil mit Multiplikatoren zu tun. Direkt mit Jugendlichen habe ich jetzt wieder mehr auf der persönlichen Ebene zu tun. Ich habe drei Kinder. Jakob, unser Ältester, kommt so langsam in die Preteen-Phase. Es ist cool zu sehen, wie er bei einer Skifreizeit Erlebnisse mit anderen hatte und selbst erste Schritte im Glauben geht. Im Sommer gehen wir zusammen auf eine Freizeit mit anderen Jugendlichen, die er vom Bolzplatz kennt und die er alle einfach eingeladen hat. Da freue ich mich total drüber und drauf.

Ein Satz von dir, der mich geprägt hat, ist: Beziehung vor Programm. Was heißt das für dich?

Es heißt für mich, zuerst der Mensch. Es geht um meine Blickrichtung: Wen sehe ich zuerst? Den Menschen, mit dem ich in Beziehung bin, oder das Programm, in dem Menschen vorkommen. „Beziehung vor Programm“ bedeutet für mich, zuerst den Menschen zu sehen und wie ich meinem Gegenüber dienlich sein kann. Daraus entsteht dann ein Programm. Natürlich gibt es auch gute beziehungsorientierte Programme, wo man Menschen hin einladen kann (z.B. ein gemeinsames Mittagessen…) Das ist ein bisschen wie bei der Henne und dem Ei. Eine Frage der Sichtweise.

Dazu hast du zusammen mit deinem Kollegen und Weggefährten Tobias Kenntner ein Buch herausgebracht, das „Beziehungsweise Journal“. Darin stellt ihr konkrete Tools für beziehungsorientierte Jugendarbeit vor.

Wir haben vier Schlüssel identifiziert. Den ersten nennen wir den Bleib-in-mir-Plan (nach Joh. 15), wo Jesus sagt: Wer in mir bleibt, der wird reiche Frucht tragen. Dieses Tool hilft uns, ganzheitlich mit Jesus unterwegs zu sein und Jesus-Zeiten zu definieren. Wie jede Beziehung müssen sie gepflegt werden durch Regelmäßigkeit und Begegnung.

Das zweite Tool ist die sog. Matthäus-9-Gebetsliste. Mithilfe dieser versuche ich, einmal in der Woche für die Menschen, deren Namen ich mir aufgeschrieben habe, zu beten.

Das dritte Tool ist eine Beziehungslandkarte. Sie soll unseren Blick schärfen für die größere Vision Gottes. Wo in meinem Umfeld sind junge Menschen? Sie hilft mir auch, die Jugendlichen zu identifizieren, zu denen ich noch keine Beziehung habe.

Das vierte Tool ist der Jüngerschaftsbaum, der mir hilft, den Fokus auf ein bis drei Menschen zu richten, die ich gezielter im Glauben fördern will.

Was bedeutet es für dich, Glauben ganzheitlich zu leben?

Jüngerschaft ist für mich nicht nur ein Programm, das ich einmal in der Woche mache, sondern sie zieht sich durch mein ganzes Leben. Sie hat eine körperliche und eine intellektuelle Dimension. So wie ich körperlich fit bleiben will, will ich auch geistlich vital bleiben. Es gibt eine emotionale Dimension, ich bin getröstet oder da ist jemand. Das alles gehört dazu.

Ein weiteres Herzensanliegen hast du zusammen mit Kollegen aus anderen Initiativen in dem „Lebensweise Workbook für Jüngerschaft“ beschrieben. Was fasziniert dich an Jüngerschaft?

Dieser Jesus war einfach ein total krasser Typ, der ganz im Leben, aber gleichzeitig voll in Gottes Liebe stand. Das leitet mich in meinem Lebensvollzug. Ich glaube, dass Streit nicht immer das letzte Wort hat, sondern dass es Versöhnung gibt. Ich glaube, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern dass es Auferstehung gibt. Ich glaube, dass Menschen, die sich allein fühlen, nicht für immer allein sein müssen. Ich glaube, dass Krankheiten geheilt werden können. Solche Hoffnungselemente kommen aus dieser Spannung natürlich-übernatürlich. Herausforderungen gibt es immer noch. Aber man kann sie aus einer neuen Perspektive betrachten. Ich darf umkehren, wenn ich versagt habe, wenn ich an meine Grenze gestoßen bin. Das finde ich total lebensbereichernd.

Für wen eignet sich das Buch?

Für Menschen, die in Kleingruppen Jüngerschaft ausprobieren bzw. in ihr wachsen wollen. Als Redaktionsteam haben wir drei Schlüsselprinzipien benannt.

  1. Bei Jüngerschaft geht es um Beziehung. Wir leben mit einem Beziehungs-Navigationsgerät, das uns hilft, darin zu wachsen: in Beziehung zu Gott, in Beziehung zu anderen Menschen, auch zu denen, die noch auf der Suche nach diesem Jesus sind.
  2. Jüngerschaft ist Hören, Umdenken, Tun. Wir haben es das HUT-Prinzip genannt. Wir fragen in den Gruppen immer wieder, wo wir spüren, dass Gott in unser Leben hineinspricht, was wir neu denken lernen wollen, um zu begreifen, was Gott wirklich meint. Und wie das, was in der Kleingruppe erlebt wird, Teil des Lebensalltags werden kann.
  3. Andere zu Jüngerschaft befähigen. Wir sprechen von einem Befähigungsviereck. Wie können neue Gruppen gegründet werden? Wie können wir uns aufmachen, andere Menschen einzuladen, um mit diesem Jesus unterwegs zu sein?

Dazu gibt es im Buch ganz praktische Kleingruppenentwürfe, mit denen man konkret in die Praxis kommen kann.

Dass aus Jesusbegegnung Jesusnachfolge werden kann, hat etwas mit Glauben zu tun. Wie kann Glaube für junge Menschen heute noch relevant sein bzw. wieder relevant werden?

Es braucht Erfahrungsräume für Glaubensbegegnungen. Lasst uns Begegnungsräume öffnen, in denen junge Menschen mit Jesus in Kontakt kommen können! Jemanden zu fragen, ob man für ihn beten darf, kann ein Raum sein, in dem Gott wirken kann. Jemanden segnen, ihm von Gott her Gutes zusprechen kann ein Begegnungsraum sein, um mit Jesus zu connecten.

Außerdem sind Glaubensvorbilder ganz wichtig für Jugendliche. Menschen, die einen attraktiven Lebensstil und eine attraktive Gemeinschaft leben. Das können ganz normale Menschen sein, die einfach durch ihren Glauben im Leben stehen und sich befragen lassen. Wie leben sie z. B. Herausforderungen? Manche Jugendliche stellen mir komplizierte Fragen und ich kann oft nur antworten, dass ich selbst keinen Plan habe. Ich glaube irgendwie dran, aber manchmal erlebe ich das auch nicht. Mit dem eigenen Zweifel umzugehen, kann ein Glaubensvorbild sein, und darin liegt eine große Kraft.

 Ein Großteil von Jugendarbeit findet in Kirchen und Gemeinden statt. Wie kann kirchliche Jugendarbeit und Kirche heute und in Zukunft für junge Menschen interessant werden?

Sie muss sich voll auf Jesus fokussieren. Wenn ich eine persönliche Beziehung zu Jesus habe, möchte ich etwas von dieser Liebe Gottes weitergeben, etwas von diesem Frieden Gottes in unsere Welt hineintragen, etwas von dieser Hoffnung in unsere Hoffnungslosigkeit bringen. Kirche ist Beziehung.

Was sind Must-haves für Jugendarbeit heute?

Die Kraft des Gebets ist ein Must-have. Das zweite ist einfach Freude. Was macht den Jugendlichen Spaß, wo können sie lachen? Bei Young Life gibt es einen Spruch: Es ist eine Sünde, Jugendliche mit dem Evangelium zu langweilen. Lasst uns möglichst abenteuerliche und verrückte Jugendarbeit machen, um so jungen Menschen zu sagen, das Evangelium ist Abenteuer, voller Freude, das hilft auch in schwierigen Zeiten. Also Spaßfaktor hoch, Gebetsfaktor hoch.

Was möchtest du haupt- und ehrenamtlich Engagierten und uns als OJC-Gemeinschaft mit auf den Weg geben?

Seid authentisch. Seid ehrlich, seid demütig. Lasst Zweifel zu, lasst aber auch Freude zu. Startet mit Dankbarkeit und geht aus der Dankbarkeit in Herausforderungen hinein. Lasst euch nicht in eine Scheinheiligkeit drängen. Wir dürfen mit unserer ganzen unperfekten Persönlichkeit einen Unterschied machen und seine Liebe ausstrahlen. Gebt Gottes Freundlichkeit ein Gesicht!

Anmerkungen:
1 Young Life ist eine internationale Missionsorganisation mit der Vision, Jugendlichen weltweit die Möglichkeit zu geben, Jesus Christus kennenzulernen und ihm nachzufolgen. Sie wurde 1941 in den USA von Jim Rayburn gegründet und ist heute in über 100 Ländern tätig. Die Partnerschaft mit dem Evang. Jugendwerk in Württemberg (ejw) gibt es seit ca. 30 Jahren. Young Life Deutschland: https://younglifedeutschland.de/

Christoph Schneider ist Landesjugendreferent für die Young Life Beziehungsinitiative im Evangelischen Jugendwerk in Württemberg. Er mag gerne Mountainbiken, Gedankensplitter in Notizbücher schreiben und mit lieben Menschen Kaffee und Bier trinken.
Mehr zur Arbeit von Christoph Schneider bei Young Life und ejw: www.ejw-younglife.de

Maren Brenner hat ein Jahr bei der OJC mitgelebt und als Erlebnispädagogin im Erfahrungsfeld Schloss Reichenberg gearbeitet. Christoph und sie kennen sich durch eine Online-Schulung zu den Tools aus dem Beziehungsweise Journal, durch die sie sehr inspiriert wurde

Salzkorn 2 / 2023: Jesus. Und wem folgst du?
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