Kein Licht ohne Schatten. Wachsen an den Zumutungen unseres charismatischen Gründers | OJC

Kein Licht ohne Schatten

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Cornelia Geister, Friederike und Hermann Klenk, Elke und Ralph Pechmann –

Wachsen an den Zumutungen unseres charismatischen Gründers

Der innere Friede, das ist etwas anderes als Zufriedenheit. Der innere Friede, das ist das Licht, das uns inmitten unseres Elends und unserer Schuldhaftigkeit die Ahnung von einer erdumfassenden Liebe gibt. (Luise Rinser)

Wir haben von Horst-Klaus Hofmann viel empfangen. Er war Lehrer, Ernährer, väterlicher Freund und Leiter unserer Gemeinschaft. Er hatte geniale Züge, wie viele andere Gründer auch, und das fanden wir großartig. Wir waren jung und offen für alles, was wir lernen konnten. Wir waren begeisterungsfähig, kannten aber uns selbst nicht in unseren Gaben, Grenzen und Gefährdungen. Wir haben unseren Gründer idealisiert, bewundert und tolle Erfahrungen mit ihm gemacht. Wir wollten über uns selbst hinausleben, merkten aber im Lauf der Jahre: Immer mehr, immer schneller, immer größer – das schaffen wir nicht! Und das führte zu Konflikten. Manche konnten wir ansprechen und austragen, viele nicht. Wir wollten mündig und unabhängiger entscheiden können. Normalerweise bleibt man ja nicht ein Leben lang im Elternhaus. Aber wir hatten die Berufung, den Auftrag der OJC mitzutragen. Darum blieben wir und mussten daran wachsen.

Horst-Klaus’ Lebensvision ging immer „offensiv“ nach vorn. Er wollte, „dass wir nicht um leichtere Lasten, sondern um stärkere Schultern beten“, und war davon überzeugt: „Nur, wenn der Wagen schnell fährt, bleibt er nicht im Schlamm stecken.“ Seine Radikalität und seine Visionen kollidierten mit unseren Lebensphasen, in denen einige kleine Kinder hatten, einen Familienrhythmus finden mussten, Ledige ihren Freiraum für ein eigenständigeres Leben suchten und persönliche Lebenskrisen bewältigt werden mussten. Da wurde es immer schwerer, morgens, mittags und abends zur Verfügung zu stehen und einsatzbereit zu sein. Wir waren oft erschöpft, manchmal am Ende.

Selbstbegrenzung und Aussteigen aus dem hohen Tempo war viele Jahre nicht möglich. Aber wir versuchten es, jeder auf seine Weise. Einer stieg regelmäßig aufs Fahrrad und stürmte durch den Odenwald – am Samstagnachmittag – während die verbindliche Schulung für alle stattfand. Das hat ihm gutgetan! Andere haben sich Gesprächspartner von außen gesucht. Sie wollten aus der inneren Emigration aussteigen und nicht länger nur funktionieren. Das half, Abstand und neue Sichtweisen zu gewinnen. Wir hatten dieselben Ziele wie unser Gründer, sahen aber andere Wege und ein anderes Tempo für die Umsetzung. Wir erkannten, dass einige Konflikte, die im System entstanden sind, nicht im System gelöst werden konnten – auch nicht mit den besten Seelsorgern, die eine Gemeinschaft zu bieten hat. Wir brauchten Hilfe von außen!

Als die Idealisierung brüchig wurde und der Leiter vom Sockel fiel, war es Herausforderung und Befreiung zugleich. Wir verstanden: Er muss nicht ideal sein – und wir auch nicht.

Aber nicht nur wir selber waren über unsere Grenzen gegangen, wir hatten uns auch gegenseitig überfordert. In so einer Situation wird echte Geschwisterlichkeit gebraucht, um einander ermutigen und unterstützen zu können. Aber die konnte sich bei uns lange nicht entwickeln, weil unsere Beziehungen – wie bei einem Magneten – auf die Leitung in der Mitte ausgerichtet waren. Statt miteinander haben wir übereinander geredet und einander im Stich gelassen. Das war Gift in den Adern der Gemeinschaft.

Wir haben unter uns Mitarbeitern eine tiefe Umkehr und Reue erlebt. Das wurde der Anfang eines Prozesses der Beziehungserneuerung und erneuten Vertrauensbildung. Wir haben unser Leben entschleunigt, durch ein Sabbatjahr und durch Auszeiten, denn es hat Zeit gebraucht, um das Gespräch miteinander zu suchen und unsere Geschichte miteinander anzuschauen, anzusprechen, auszuhalten. Darin sind wir Lernende, bis auf den Tag.

Jede Gemeinschaft hat blinde Flecken. Die können zum Segen werden, wenn wir uns ihnen stellen. Wenn wir sie verleugnen, werden sie zur Gefährdung für Einzelne und die ganze Gemeinschaft. Wir haben die Erschütterungen und Krisen gebraucht, um unseren Verrat aneinander zu entdecken, zu entlarven und Gott und einander um Vergebung zu bitten. Unser Vertrauen zu Christus ist nicht zerbrochen, sondern tiefer geworden. Gott sei Dank! Die Klarheit für die eigenen Grenzen und Gaben ist gewachsen, und auch die Freude am Leben. Wir haben die Freiheit gewonnen, uns und unseren Gründer als jemanden zu sehen, der Licht und Schatten haben darf, weil es auch in einer geistlichen Gemeinschaft „menschelt“. Und wir sind barmherziger und weitherziger geworden miteinander.

Cornelia Geister, Friederike und Hermann Klenk, Elke und
Ralph Pechmann sind seit den Anfängen in der OJC-Gemeinschaft und gehören zur Gruppe der aktiven Rentner.

Salzkorn 4 / 2021: OFFENSIV
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