Malerei von Bruno Ritter©. Gefaltete Hände.

Gott bindet sich – Ein Dreiklang, der uns bundestauglich macht

Nachdem die grundlegende Menschheitsgeschichte des Anfangs erzählt ist, setzt mit 1 Mo 12 die spezielle Geschichte des Gottesvolkes ein. Erwählung und Verheißung bilden den Anfang! Und Abram reagiert und zieht los. Vielleicht eher auf Verdacht als auf Gewissheit, aber voller Hoffnung, im Glauben.

Nach seinen ersten Schritten erneuert Gott seine Zusage in 1 Mo 15 in der bekannten Geschichte, in der Abram eine Art Midlifecrisis erlebt. Man spürt plötzlich Unsicherheit. Gott lässt ihn die Sterne am Himmel zählen … er glaubt … und doch: „Herr, HERR, woran soll ich merken, dass ich’s besitzen werde?“ Und Gott hat die passende Antwort parat: „An dem Tage schloss der HERR einen Bund mit Abram.“ Bislang waren Erwählung und Verheißung Willenskundgebungen. Göttliche zwar, aber doch bloße Absichtserklärungen. Um diese zu festigen, antwortet Gott mit seinem Bund.

Bund

Ein Bund – hebr. die berīt – war eine bindende Verpflichtung zwischen Partnern. Um ein einseitiges oder gegenseitiges Interesse umzusetzen, wird ein Rechtsgeschäft eingegangen, durch das ein neuer Beziehungszustand entsteht. Die Partner können, müssen aber nicht gleichberechtigt sein – die Verpflichtung kann ein- oder beidseitig sein. Dieser Vorgang wird im Alten Testament mit ganz unterschiedlichen Worten beschrieben. Das meistgebrauchte Wort dafür steht auch bei Abram: „schloss der HERR einen Bund“ – wörtlich: „schnitt“ (hebr. k rat) einen Bund. Aller Wahrscheinlichkeit nach soll dieses Wort an den Ernst der Sache erinnern: So wie Gott vor Abram verschiedene Tiere zerteilt hat, so soll es auch ihm selbst ergehen, wenn er diesen Bund bricht!

Damit sind wir beim theologischen Gebrauch des Begriffes. Der Bund ist die „(…) Willenskundgebung, durch die Gott sich im AT verheißend und gebietend offenbarte (…).“1 Dabei ergreift Gott die Initiative. Um seine Verheißung glaubhaft zu untermauern, macht er sich selbst zum Bündnispartner des Menschen. Gott verpflichtet sich dem Menschen gegenüber. Zunächst ganz einseitig. Später werden dann auch die Gebote dazu in Beziehung gesetzt und damit deutlich, dass diese Vorleistung Gottes in uns Menschen eine Reaktion hervorrufen möchte. Schließlich entscheiden sich sogar Menschen zu einem Bund mit Gott (Josua 24): Ich aber und mein Haus wollen dem HERRN dienen. (…) So schloss Josua an diesem Tag einen Bund für das Volk.

Es gibt im Alten Testament nicht den Bund. Wenigstens nicht im Sinne eines bestimmten immer gleichen Vorgangs. Wohl aber gibt es den Bundespartner als Stifter und Erhalter. Alles lebt von Gott – er stiftet und er erhält. Die berīt ist eine Verpflichtung (so die treffendste Übersetzung), die dafür sorgen will, dass Erwählung und Verheißung nicht bloße Willens- und Absichtskundgebungen bleiben. Das bestätigt sich dann auch im Zusammenhang mit Jesus und dem „Neuen Bund“. Religionsgeschichtlich ist das völlig einmalig: Gott bindet sich an uns Menschen! Und das führt uns zum zweiten Schlüsselwort: Damit der Bund seine Kraft entfalten und ins Leben finden kann, braucht es die Treue.

Treue

Gott hat einen Bund geschlossen. Von sich aus. Israels Antwort darauf war aber allzu oft nicht entsprechend. Dennoch reagiert Gott auf die fortlaufende Untreue Israels mit seiner anhaltenden Treue! Das liegt an der Leidenschaft des Schöpfers für seine Geschöpfe. Der Rabbiner Abraham Heschel formulierte es so: „Der Mensch wird gebraucht, er ist ein Bedürfnis für Gott. (…) Ein Geschöpf, das ständig von Gott gesucht wird.“2 Paulus nimmt diesen Gedanken im NT auf, wenn er schreibt: Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen (Röm 11,29). Und selbst Gottes Gerichtshandeln findet dies seinen Ausdruck: Es soll dem Bund nicht das Ende bereiten, sondern einen Neuanfang ermöglichen. Treue ist also nicht die Voraussetzung für den Bund, sondern die Antwort auf die Verpflichtung, die Gott eingegangen ist.

Aus dieser Treue (hebr. æmūnā) heraus ist auch die Verheißung eines Neuen Bundes zu verstehen. Er wird in Jer 31,31ff benannt: Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Auch hier geht es um Verheißung und Erfüllung.

Denn: „Auch der Neue Bund ist eine ‚Ordnung‘ (…), der auf besseren Verheißungen beruht. ‚Besser‘ sind sie, weil sie sich durch Jesus Christus in der Gegenwart erfüllen. Sie weisen nicht auf etwas hin, was erst durch ein anderes Gotteswort verwirklicht werden kann, sondern auf etwas, was sich durch Jesus Christus schon gegenwärtig vollzieht.“3 Darum hält ein Text der Niederländischen Reformierten Kirche aus dem Jahr 1961 fest: „Der Neue Bund besagt nicht die Tilgung des Alten, sondern vielmehr seine Wiederherstellung, seine Wiederbelebung in einer neuen, unzerstörbaren Gestalt.“4 Dahin weist auch der ntl. Begriff des Bundes: „Form und Inhalt des Begriffs [diathēkē] verdankt das NT dem AT. Was zwischen AT und NT liegt, ist der Schritt von der Weissagung zur Erfüllung.“5

Im semitischen Denken ist es eher „die göttliche Anordnung und Verfügung“ – in der hellenistischen ­Umgangssprache „das Testament bzw. die letzte Verfügung des Menschen“6 . So werden AT und NT miteinander verknüpft. Und damit sind wir bei dem Bund-Wort des Neuen Testamentes: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut (Lk 22,20; 1 Kor 11,25).

Wir kommen aus der Kar- und Osterzeit. Bei der Einsetzung des Heiligen Abendmahls hat dieses Jesus-Wort seinen Ursprung. Jesus spricht vom „Neuen Bund“, den er mit seinen Jüngern schließt. Alle, die mit Jesus am Tisch saßen, wussten genau, wovon er spricht. Denn die berīt war das konstituierende Element des Volkes Israel. Jeder wusste: ohne Bund kein Volk. Nun aber geht der Neue Bund via Israel und die Jünger über sie hinaus als Angebot an alle Welt. Der neue Bund hat das neue Bundesvolk zum Ziel – ein versöhntes Volk aus Juden und Heiden. In Jesus Christus gilt erneut: Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt 
(Joh 15,16). So kann Paulus feststellen: Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja; darum sprechen wir auch durch ihn das Amen, Gott zur Ehre (2 Kor 1,20). Da – in Jesus Christus – ist Gottes unerschütterliche Treue ganz festgemacht!

Und wieder lebt alles von Gottes Einsatz. Von seiner Treue, die den Bund trägt und die zum Frieden führt. Und so wie die Verheißung durch den Bund seine Kraft bekommt, so findet der Bund durch die Treue ins Leben … und führt so in den šālōm – in den Frieden, d. h. ins Ganze, in die Verbundenheit. Treue ist die Brücke zwischen Bund und Verbundenheit. Und damit sind wir beim dritten Schlüsselwort.

Frieden

Der Dreiklang lautet: berīt – æmūnā – šālōm. Alles beginnt mit dem Bund Gottes – der ist getragen von seiner Treue – und hat als Ziel den Frieden. So gelingt Verbundenheit! Am Anfang steht die Gabe. Sie ist gekoppelt an die Selbstverpflichtung Gottes, der Zusicherung seiner selbst, seiner erwählenden Liebe. Diese Gabe will aber nicht folgenlos für den Menschen bleiben. Sonst würde entstehen, was Dietrich Bonhoeffer beschreibt: „Billige Gnade ist der Todfeind unserer Kirche. (…) Billige Gnade heißt Gnade als Schleuderware, verschleuderte Vergebung, verschleuderter Trost, verschleudertes Sakrament (…).“7 Der Bund und die Treue Gottes wollen etwas in uns hervorrufen. Und doch gilt festzuhalten: der göttliche Modus Operandi heißt stets: Indikativ vor Imperativ – erst die Gabe, dann die Aufgabe … erst der Zuspruch, dann der Anspruch … immer wieder: erst die grundlegende Aktion Gottes und dann die mögliche Reaktion des Menschen!

Gerhard von Rad schreibt: „Das von einem Bundesschluss garantierte Verhältnis wird gern durch das Wort [šālōm] bezeichnet (…). [šālōm] bezeichnet nämlich die Unversehrtheit, die Ganzheit eines Gemeinschaftsverhältnisses, also einen Zustand harmonischen Gleichgewichtes, der Ausgewogenheit aller Ansprüche und Bedürfnisse zwischen zwei Partnern. So will also ein Bundesschluss einen Zustand der Intaktheit, der Geordnetheit und Rechtheit zwischen zwei Parteien erzielen (…).“8 Friede ist die Verwirklichung von Bund und Treue! Dabei ist unbedingt die Reihenfolge zu beachten. Der Dreiklang klingt nicht so: Friede – Treue – Bund. Nein – nicht, weil Menschen friedlich miteinander sind, sind sie sich treu … und nicht, weil sie sich treu sind, ergibt das einen Bund! Nie und nimmer! Der Dreiklang kommt allein so zum Klingen: Bund – Treue – Friede. Das bewährt sich auf persönlicher wie gesellschaftlich-politischer Ebene.

Während ich diese Zeilen schreibe, herrscht in der Ukraine Krieg. Ein geschlossener Bund, durch Untreue am Leben gehindert – damit steht am Ende eben nicht Verbundenheit, sondern Hass, nicht Friede, sondern Krieg. Wieder einmal bewährt sich der Satz, den ich von einem meiner theologischen Lehrer gelernt habe: „Gebrochene Versprechen sind gesprochene Verbrechen.“ Ebenso eindrücklich ist dies im Persönlichen. Im Verhältnis von Frau und Mann bewährt sich die Trias: Bund – Treue – Frieden. Umgekehrt, als Frieden – Treue – Bund, versagt sie. In einer Traupredigt im Mai 1943 hat dies Dietrich Bonhoeffer zum Ausdruck gebracht: „Ehe ist mehr als eure Liebe zueinander. (…) Wie die Krone den König macht und nicht schon der Wille zu herrschen, so macht die Ehe und nicht schon eure Liebe zueinander euch zu einem Paar vor Gott und vor den Menschen. (…) Nicht eure Liebe trägt die Ehe, sondern von nun an trägt die Ehe eure Liebe.“9 Aus dem geschlossenen Bund heraus – im Persönlichen wie Politischen – erwächst die Treue. Und beides führt zum Frieden!

Man könnte diese Wirklichkeit mit den Worten von Karl-Heinz Michel zusammenfassen: „Wenn auf Gott Verlass ist, weil er sich gebunden hat, dann sollte auch darin unser Leben Gottes Wesen widerspiegeln, dass auf uns Verlass ist.“10 Und als am ersten Pfingstfest die Kirche Jesu entstanden ist, nannte man sie die ekklēsia: die, die herausgerufen sind, um aus Gottes Verpflichtungs-Gabe zu leben.

Was klingt in meinem Leben?

Die Bündnistreue Gottes gründet in seinem Bund – lebt von seiner Treue – führt zum von ihm geschenkten Frieden. Dieser Dreiklang will auch unser Leben zum Klingen bringen. In 1 Tim 2,5 und Hebr 8,6 wird Jesus der Mittler des Neuen Bundes genannt. Das ist der Grund dafür, dass es dann in Hebr 7,22 heißt: So ist Jesus Bürge eines viel besseren Bundes geworden. Das steht – unwiderruflich. Das trägt – ein ganzes Leben lang. Und das regt an – zur Frage: Wofür bürgt denn mein Leben?

Der Dreiklang Bund – Treue – Frieden will unsere Verbundenheit zum Klingen bringen und soll so an­steckend und fruchtbar werden. Bedenkenswert ist dabei: „Der Sinn der Erschaffung zum Ebenbild Gottes ist rätselhaft verhüllt. Aber vielleicht dürfen wir vermuten, dass der Mensch dazu geschaffen war, Zeuge für Gott, Symbol Gottes zu sein.“11

Also: von welchem Dreiklang ist mein Leben getragen? Ist es der, der zum Frieden führt? Dafür ist meine Bündnisfähigkeit gefragt! Es ist die Einladung, eben diese alte berīt Gottes in meinem Leben immer wieder aktuell zum Klingen zu bringen. Als Bürge, als Symbol Gottes.

Anmerkungen:
1 Johannes Behm, Gottfried Quell; Art. διαθηκη; in: Gerhard Kittel (rg.); Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament; Band 2; S. 132
2 Abraham J. Heschel; Die ungesicherte Freiheit, Essays zur menschlichen Existenz; S. 132, 134
3 Otto Michel; Der Brief an die Hebräer; KEK Band 13; S. 294
4 Fritz Laubach; Der Brief an die Hebräer (WSB); S. 166
5 Johannes Behm, Gottfried Quell a.a.O.; S. 137
6 Michel a.a.O.; Siehe S. 275
7 Dietrich Bonhoeffer; Nachfolge; S. 13
8 Gerhard von Rad; Theologie des Alten Testaments, Band I; S. 144
9 Dietrich Bonhoeffer; Widerstand und Ergebung; S. 54f.
10Karl-Heinz Michel: Bund; in: Fritz Grünzweig et al; Brockhaus Biblisches Wörterbuch; S. 62
11 Heschel a.a.O.; S. 135
Salzkorn 2 / 2022: zugehörig – Verbundenheit wagen
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